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Russische Wahlen: Der Kreml entscheidet, wer teilnimmt
Die ehemalige Lokalpolitikerin Anastasia Brjuchanowa über die Präsidentschaftswahl in Russland
Frau Brjuchanowa, Sie haben bei der Dumawahl 2021 kandidiert und scheiterten an der Regierungskandidatin. Damals wurde gemutmaßt, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Warum macht sich der russische Machtapparat sogar die Mühe, eine kleine Zahl von Abgeordneten einer echten Opposition im Parlament zu verhindern? Es drohte ja bei der letzten Wahl keine »Machtübernahme«?
Für mich ist heute klar, dass die Duma bereits damals auf den Krieg vorbereitet wurde. So musste die Wahl von gerade mal acht unabhängigen Abgeordneten verhindert werden, acht von 450. Für Wladimir Putin ist es nun wichtig, dass niemand Protest oder auch nur Zweifel an seinem Kurs äußern kann.
Putins Wiederwahl bei der Präsidentschaftswahl im März ist ja praktisch sicher. Wie kommt es zu seinen überwältigenden Wahlerfolgen?
Man kann diese Ergebnisse nicht mit denen von Wahlen in anderen Staaten, etwa in der EU, gleichsetzen. Abstimmungen in Russland ähneln nur ganz oberflächlich echten Wahlen, sind aber von vornherein so gestaltet, dass vor allem Putin mit guten Ergebnissen rechnen kann. So wurde die echte Opposition inzwischen komplett zerstört und sitzt im Gefängnis, Exil oder Untergrund und kann nicht offen agieren. Putins populärster Gegner Alexej Nawalny etwa ist im hohen Norden inhaftiert und kann keinen Einfluss auf die Politik in Russland nehmen.
Anastasia Brjuchanowa (30) war von 2016 bis 2021 Kommunalabgeordnete in Moskau, zunächst für die liberale Partei Jabloko. 2021 nahm sie als unabhängige Kandidatin an den Wahlen zur Staatsduma teil und verlor nach einer stark umstrittenen Auszählung gegen die Regierungskandidatin. Nach Beginn der russischen Ukraine-Invasion verließ sie Russland und lebt jetzt in Deutschland.
Aber es gibt ja andere Kandidaten als Putin, die auch gewählt werden können.
Wer hier teilnehmen kann, liegt ausschließlich in der Entscheidung des Kreml. Er verfügt über zahlreiche Instrumente, Kandidaten einfach auszuschließen. Im Dezember wurde beispielsweise beschlossen, dass die Kriegsgegnerin Jekaterina Dunzowa nicht teilnehmen darf. Auf dem Stimmzettel wird nur platziert, wer den Behörden passt. Und wer selbst die Gegner auswählt, gewinnt sehr einfach. Auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden genötigt, für den Regierungskandidaten zu stimmen. Das Ergebnis der elektronischen Abstimmung wird lediglich bekannt gegeben und kann überhaupt nicht unabhängig überprüft werden.
Sie sprachen vom Zerschlagen der Opposition. Wäre ein Wahlkampf wie der Ihre 2021 im aktuellen Russland überhaupt noch möglich zur Präsidentschaftswahl?
Theoretisch ja, wenn der Kreml Fehler macht. Kandidaten, von denen im Vorfeld bekannt ist, dass sie stark sind, dürfen in der Regel nicht teilnehmen. Aber es gibt Überraschungen, und da nenne ich mein eigenes Beispiel. Ich war eine extrem junge Kandidatin, vorher nur auf kommunaler Ebene aktiv und kaum bekannt. Die Behörden haben gar nicht damit gerechnet, dass ich einen erfolgreichen Wahlkampf machen kann.
Sehen Sie unter den Gegenkandidaten jemanden, der überraschen könnte?
Möglich wäre hier Boris Nadeschdin. Er hat in den letzten Jahren nur an der Universität unterrichtet, war aber vor einigen Jahrzehnten bekannter (Nadeschdin war zwischen 2000 und 2003 Abgeordneter der Duma, Amn. d. Red.). Jetzt denken sie, er könne keinen ernsthaften Wahlkampf führen. Er versucht gerade in einem extrem bürokratischen Verfahren 100 000 Unterschriften von Wahlunterstützern zu sammeln, die für die Registrierung als Kandidat nötig sind. Aber es ist fraglich, ob er ein gutes Team für eine so große Herausforderung zusammenstellen kann.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Warum veranstalten die Mächtigen in Russland diese vorprogrammierten Urnengänge? Es kostet ja viel Mühe, alles wie gewünscht zu beeinflussen.
Wie jede Autokratie braucht Putin Legitimität. Er muss ein Bild der Unterstützung für die Bürger und Eliten schaffen. Ein Bild, dass alle dafür sind und es nur wenige Gegner gibt. Wo sich Leute fragen, was es für sie bedeutet, wenn sie dagegen sind. Die Eliten wiederum brauchen eine Antwort auf die Frage, warum sie Putin folgen sollen. Die Ergebnisse der Wahlen sind die Antwort: Sie zeigen, dass die Bürger, wenn auch kaum begeistert und teilweise unzufrieden, dem Anführer folgen und nicht protestieren. Wobei es auf einem anderen Blatt steht, ob Protest gerade möglich ist. Die Wahlen sind dabei nur ein Baustein; andere sind die Zensur, der Kampf gegen unabhängige Medien, die nun alle geschlossen wurden. Weiter der Kampf um Social Media und die Einstufung oppositioneller Meinungsführer als ausländische Agenten oder die Einleitung von Strafverfahren gegen sie. Oder ihre Vertreibung aus dem Land.
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