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Der große Einstieg von Red Bull in den Radsport
Vom Sponsoring könnte vor allem der deutsche Rennstall Bora-hansgrohe profitieren
Red Bull ist noch nicht mit seiner ganzen finanziellen und organisatorischen Wucht im Radsport da. Dem designierten Partner, das deutsche Team Bora-hansgrohe, verleiht aber die Aussicht darauf schon jetzt Flügel. Beim Saisonauftakt in Australien setzte sich am Montag Neuzugang Sam Welsford im Massensprint durch. Platz sieben von Anfahrer Danny van Poppel zeigt, dass auch die kollektive Zusammenarbeit exzellent war bei der Auftaktetappe der Tour Down Under.
»Der Sprintzug von Bora hat definitiv den Unterschied gemacht. Die haben mit Abstand das stärkste Sprintteam hier. Und wenn Bora für Sam bis 150 Meter vor dem Ziel den Sprint anfährt, dann kannst du nichts machen«, zollte der Zweitplatzierte Phil Bauhaus Respekt für seine Kontrahenten vom Raublinger Rennstall. Dort war natürlich Feiern angesagt. »Das war verrückt! Mir fehlen die Worte. Es war ganz schön heikel bergab, und es gab ein paar Stürze und Beinahe-Unfälle, aber die Jungs haben die Ruhe bewahrt und einen tollen Job gemacht. Es ist ein wahr gewordener Traum – es ist das erste Rennen und mein erster Sieg mit der Mannschaft«, meinte der australische Sieger Welsford. Denn die Konkurrenz war mit dem fünffachen Etappensieger der Tour de France Caleb Ewan und Gent-Wevelgem-Sieger Biniam Girmay groß.
Gleich zu Beginn der Saison des angepeilten großen Wachstums konnte Bora also ein Häkchen ans Kästchen ›früher erster Saisonsieg‹ machen. Die Erwartungen sind allerdings noch viel größer. Mit dem Slowenen Primož Roglič wurde ein Fahrer verpflichtet, der das Zeug hat, die Tour de France zu gewinnen. »Das ist unsere Mission in dieser Saison«, sagte Teamchef Ralph Denk. Er verkennt aber auch eine gewisse Anspannung nicht: »Alle wissen, wie Primož performt hat bei Jumbo-Visma. Und wir wissen natürlich auch: Wenn er das bei uns nicht tut, sind wir die Buhmänner.«
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Über den strukturell noch wichtigeren Schritt für die Entwicklung des Rennstalls entscheidet Ende Januar die österreichische Kartellbehörde. Sie muss genehmigen, dass das in Österreich ansässige Unternehmen Red Bull 51 Prozent der Anteile der ebenfalls in Österreich gemeldeten Muttergesellschaft des Rennstalls Bora-hansgrohe übernehmen darf. Klappt das, steigt der Rennstall im Radsport in die erste Liga auf. Vor allem das Budget dürfte wachsen.
Red Bull selbst ist bereits punktuell im Radsport aktiv, unterhält hochkarätige Sponsorenverträge mit Spitzenfahrern wie Tom Pidcock und Wout van Aert. Auch der ehemalige Skibergsteiger und Bergläufer Anton Palzer, seit mittlerweile drei Jahren im Bora-Team, gehört zu den vom Brausehersteller unterstützten Radsportlern. Und die Gerüchteküche in Sachen Neuverpflichtungen brodelt bereits: Van Aert wird als potenzieller Neuzugang diskutiert, auch Remco Evenepoel könnte als Co-Leader und Nachfolger für Roglič ins Team kommen.
Spannend bleibt, wie Rennstallchef Denk in Zukunft handelt. Er kritisierte immer wieder gern die Schere, die zwischen den reicheren Teams – etwa UAE Emirates und Ineos Grenadiers mit rund 50 Millionen Euro Jahresbudget – und den anderen klafft, die nur die Hälfte, teils auch nicht einmal ein Drittel dieser Summe zur Verfügung haben. Er setzte sich für eine allgemeine Budgetbegrenzung auf 30 Millionen Euro für bessere Chancengerechtigkeit ein. Mal sehen, wo demnächst die Budgetgrenze für den Rennstall liegt, wenn er die roten Bullen im Namen trägt.
Ungewöhnlich sind Übernahmen durch Sponsoren nicht. Ineos Grenadiers etwa gehört komplett Jim Ratcliffe, dem Gründer des Chemiekonzerns Ineos. Zu dessen Sportimperium zählen zudem die Fußballklubs Manchester United und OGC Nizza. Gemeinsam mit dem Ineos-Unternehmen steht das Engagement von Red Bull nun für den neuen Trend von europäischen Unternehmen als Gegengewicht zu den Sportfinanziers aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Katar.
Von Red Bulls Einstieg erhoffen sich Branchenkenner wie der frühere Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer auch einen Schub in der Vermarktung des Straßenradsports allgemein. Widerstand wie in den Ultraszenen des Fußballs ist nicht zu erwarten. Radsportfans sind es ohnehin gewohnt, dass sich Teamnamen je nach Einstieg neuer Sponsoren ändern. Vielleicht schon zur Tour de France könnte der Raublinger Rennstall mit neuem Namen antreten. Weitere Siege unter dem alten Namen sollten bis dahin aber noch folgen.
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