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Deutsche Handballer haben ihr Ziel erreicht – und wollen mehr

Bundestrainer Gislason hat mal wieder Ergebnisse geliefert. Nun wartet Weltmeister Dänemark im EM-Halbfinale.

  • Felix Meininghaus, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.
U21-Weltmeister Renars Uscins (l.) ist Teil der Zukunft des deutschen Handballs. Schon jetzt trifft er im EM-Halbfinale auf Weltmeister Dänemark.
U21-Weltmeister Renars Uscins (l.) ist Teil der Zukunft des deutschen Handballs. Schon jetzt trifft er im EM-Halbfinale auf Weltmeister Dänemark.

Was macht es mit Athleten, die in sechs Spielen innerhalb von 14 Tagen ihr Herz auf dem Spielfeld gelassen haben, wenn sie eine Stunde vor ihrem siebten Auftritt erfahren, dass sie keinen ernsthaften Wettkampf, sondern quasi ein Freundschaftsspiel vor sich haben? Deutschlands Handballern erging es exakt so vor ihrer abschließenden Hauptrunden-Begegnung der Heim-Europameisterschaft. Weil die Konkurrenz aus Österreich und Ungarn verloren hatte, war der Weg ins Halbfinale frei – wie auch immer das Kräftemessen gegen Kroatien ausgehen würde.

Einerseits war es befreiend, das große Ziel erreicht zu haben, andererseits »für den Kopf ganz schön hart«, verriet Kreisläufer Justus Fischer später in der Mixed Zone. Die Folge war ein vor allem in der zweiten Halbzeit deutlich wahrzunehmender Spannungsabfall, der dazu führte, dass die deutschen Spieler reihenweise klarste Wurfmöglichkeiten vergaben und am Ende in eine deutliche 24:30-Niederlage einwilligen mussten.

Es war die erste Niederlage überhaupt in der erklärten Lieblingsarena der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Der Mythos Köln ist also dahin, aber auch darüber hinaus sah sich Spielmacher Juri Knorr dazu genötigt, beim zahlenden Publikum Abbitte zu leisten. Es tue ihm »leid für die vielen Fans, die für heute Tickets gekauft haben«, sagte der Profi der Rhein-Neckar Löwen: »Wir haben im Kopf ein bisschen abgeschaltet, nachdem wir wussten, dass wir weiter sind. Das ist eigentlich nicht unsere Mentalität. Aber wir sind im Halbfinale, das muss man immer noch festhalten.«

Bundestrainer Alfred Gislason nutzte die Gunst der Stunde und rotierte sein Personal fleißig durch. So präsentierte sich im zweiten Abschnitt die Zukunft des deutschen Handballs: Erstmals im Turnierverlauf standen alle vier U21-Weltmeister von 2023, die es in den Kader geschafft hatten, zeitgleich auf dem Feld: David Späth (21 Jahre), Renars Uscins (21), Nils Lichtlein (21) und Justus Fischer (20), um Stammkräfte wie Knorr, Kapitän Johannes Golla, Torhüter Andreas Wolff und Julian Köster für das Halbfinale gegen Dänemark an diesem Freitag (20.30 Uhr im ZDF) zu schonen. Werbung in eigener Sache konnte die zweite Reihe allerdings nicht machen. »Ich finde, dass sie sich nicht richtig konzentriert haben bei den Würfen«, monierte der Bundestrainer erneut recht kritisch.

Dennoch fällt das Fazit nach dem Ende der Hauptrunde positiv aus. Durch das Erreichen des Halbfinals dürfte sich das Engagement von Gislason beim DHB verlängern. Der Sprung unter die besten vier Nationen des Kontinents war zwar vor Turnierbeginn nicht explizit als Muss ausgegeben worden, allerdings hatten Spieler, Trainer und Offizielle immer wieder bekräftigt, dieses Ziel entspreche dem eigenen Anspruch. Gislason selbst, der als Trainer in Magdeburg und vor allem in Kiel Titel in Serie eingesammelt hatte, machte stets deutlich, sich auch an Ergebnissen messen zu lassen. Die hat er nun geliefert, er kann also darauf hoffen, dass sein nach den Olympischen Spielen in Paris auslaufender Kontrakt vorzeitig verlängert wird.

Immer wieder betont der Trainer, wie gern er sein junges Ensemble auf ein Niveau hieven würde, auf dem es den Branchenführern aus Dänemark, Frankreich und Schweden nicht nur als Herausforderer, sondern auf Augenhöhe begegnen kann. Dabei baut er auf den Faktor Zeit, »schließlich gehören unsere erfahrensten Spieler in anderen Teams zu den Youngstern«, was die Altersstruktur betrifft. Das Projekt kann vorangetrieben werden, zumindest, wenn man DHB-Präsident Andreas Michelmann zuhört, der aus der Wertschätzung gegenüber seinem leitenden Angestellten keinen Hehl macht: »So wie ich Alfred hier in Köln erlebe, ist er genau der Fels in der Brandung, den so eine junge Mannschaft braucht«, sagte der deutsche Handball-Chef dieser Tage.

Die Vertragsverlängerung schon im Februar sollte also nicht mehr als eine Formsache sein. Es fügt sich derzeit viel für den Trainer aus Leidenschaft. Nach dem Sieg gegen seine Landsleute aus Island berichtete der 64-Jährige sogar, seine Mannschaft zu lieben – für den zur Sachlichkeit neigenden Nordländer ein ungewöhnlich emotionales Geständnis. Im Halbfinale gegen den haushohen Favoriten und amtierenden Weltmeister Dänemark benötige sein Team nun »die beste Leistung seit Jahrzehnten«. An Gislason soll die Sensation nicht scheitern. Er habe zwar »ziemlich wenig Schlaf, aber auch wirklich tierisch viel Spaß mit den Jungs«.

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