Lokführer: »Manche Pausen sind schon sehr kurz geschnitten«

Wenn Schwäne auf den Gleisen am Berliner Hauptbahnhof stehen bleiben

  • Merrin Chalethu
  • Lesedauer: 5 Min.

Wie und wann startest du in den Tag?

Das ist unterschiedlich und kommt auch auf die Fahrt- und Vorbereitungszeiten an. Ich selbst mache nur Frühschichten, die früheste beginnt kurz nach vier Uhr morgens. Wenn es passt, fahre ich mit dem öffentlichen Verkehr und ansonsten im Sommer wie im Winter mit dem Fahrrad zur Einsatzstelle. Meistens beginnt der Dienst auf dem Bahnsteig an den Einsatzstellen wie zum Beispiel Berlin-Lichtenberg, Ostbahnhof oder Südkreuz. Auf dem Tablet, wo unsere ganzen Daten drauf sind, sehen wir, was wir dann machen müssen: Schicht, Einsatzpläne, Störungen, Änderungen und Hinweise. Da erfahre ich auch, wo ich hinfahren muss. Wenn der Zug abgelöst wird, spreche ich mit dem Kollegen über Besonderheiten und ob mit dem Zug alles okay ist und dann geht’s los.

Vier Uhr morgens ist ganz schön früh. Was machst du, wenn du müde antreten musst?

Das ist schwierig, manchmal kann man hoffen, dass man zwischendurch ein bisschen Pause hat. Am Hauptbahnhof in den Pausenräumen gibt es zum Beispiel Ruhesessel, wo man mal kurz die Augen zumachen kann, an den Endbahnhöfen bleibt dafür auch etwas Zeit. Aber ich hatte das Problem bisher nicht so.

Wie lange arbeitest du?

Interview
Romano Geppert arbeitet als Lokführer bei der Deutschen Bahn

Romano Geppert (32) begann 2008 seine Ausbildung in Leipzig, ist seit September 2011 Lokführer und seit zehn Jahren mit dem Regio in Berlin und Umgebung unterwegs.
Mit ihm sprach Merrin Chalethu.

Eine Schicht kann maximal zwölf Stunden dauern. Das ist aber sehr unterschiedlich, je nachdem, wie der Schichtplan mit dem vorhandenen Personal gebaut wird. Am Wochenende sind die Schichten meistens länger, damit mehr Personen freihaben können.

Was ist die längste Strecke, die du schon gefahren bist und was machst du, wenn du auf Toilette musst?

Das längste, was man bei der Regio in Berlin fährt, ist die Strecke nach Stralsund, die ca. 3 Stunden 40 dauert. Wenn es einen kurzen Aufenthalt an einem Bahnhof gibt, kann man auch schnell im Zug gehen.

Wie aktiv musst du dich an einer Fahrt beteiligen?

Mein Hauptaugenmerk ist die Streckenbeobachtung. Ich muss schauen, was die Lok macht und was der Zug macht. Ich muss Statusmeldungen und die Geschwindigkeit sowie die Signale beobachten. In regelmäßigen Abständen muss ich auch bestätigen, dass alles in Ordnung ist bei mir und dass es mir gut geht.

Aha, wie bestätigst du das?

Das ist eine Sicherheitsfahrschaltung. Wenn man die nicht mindestens alle 30 Sekunden mit dem Fußpedal drückt, gibt es erst ein optisches Signal, dann kommt ein akustisches Signal dazu und danach würde der Zug anhalten.

Was machst du, wenn ein Baum auf die Strecke fällt?

Erst mal rechtzeitig anhalten, wenn das noch geht. Dann wird ein Notauftrag an den Fahrdienstleiter gegeben. Das können alle, die sich in dieser Funk-Umgebung befinden. Die anderen, die sich in dem Raum befinden, wissen damit auch, dass sie selbst anhalten und auf Abklärungen warten müssen.

Wann und wie machst du Pausen?

Ich mag es nicht so, im Pausenraum zu sitzen, darum gehe ich meistens einfach irgendwo spazieren, wenn ich Zeit habe. Aber manche Pausen sind schon sehr kurz geschnitten. Manchmal fährt man nur irgendwohin, hat die gesetzlich vorgeschriebene halbe Stunde Pause und fährt dann wieder weiter. An anderen Tagen hat man Schichten, wo man auch mal eine Stunde Pause am Hauptbahnhof hat. An einem Arbeitstag haben wir maximal zwei Pausen. Eine Neun-Stunden-Schicht kann aber auch nur insgesamt 45 Minuten Pause haben. Die ist gesetzlich vorgeschrieben.

Woher weißt du, wo du lang musst? Musst du auch Karten lesen?

Man fährt nur Strecken, die man zuvor mindestens zweimal am Tag und einmal bei Dunkelheit mit einem anderen Lokführer zusammen gefahren ist. Da sehe ich mir die Strecke an und muss mir merken, wie sie aussieht, wo welches Signal ist, welche Bedeutungen die Signale haben etc. Ich lerne die Strecke kennen, bevor ich sie fahren muss. Klassische Landkarten gibt es bei uns gar nicht.

Ist dir schon mal etwas Skurriles auf deinen Fahrten passiert?

Nicht so vieles. Einmal ist mir ein großer Laubbaum auf die Strecke gefallen, wo ich nichts mehr sehen konnte, weil alles komplett grün war vor lauter Blätter. Was auch öfter passiert, vor allem hier in Berlin: dass auf der Stadtbahn zwischen Zoo und Ostbahnhof Schwäne auf den Gleisen stehen. Die bleiben dann da stehen und gehen nicht weg.

Und was machst du dann?

Dann war’s das und dann steht man davor. Man will das Tier ja nicht überfahren. Man könnte hupen oder so was, aber das interessiert die Schwäne nicht. Wir hatten auch schon Kollegen, die dann ausgestiegen sind und versucht haben, sie mit dem Rucksack wegzuscheuchen. Meistens wartet man aber nur oder informiert die Bundespolizei, die sich dann darum kümmert.

Wie endet dein Tag?

Eigentlich so, wie ich ihn auch angefangen habe. Ich komme am ursprünglichen Startbahnhof wieder an und werde meistens abgelöst. Es ist eigentlich nicht viel, außer ich muss den Zug in Lichtenberg abends hinstellen. Dann müsste der Zug abgerüstet, die Lok runtergefahren und das Licht ausgemacht werden bis er wieder in den Einsatz geht. Für mich geht es dann mit dem Fahrrad nach Hause.

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