- Politik
- Frankreich
Frankreichs Ausländergesetz: Macron kann durchatmen
Das umstrittene Ausländergesetz tritt in modifzierter Form in Kraft
Es war ein Schlüsselvorhaben des Präsidenten. Unmittelbar vor seiner Abreise zu einem Staatsbesuch in Indien hat Präsident Emmanuel Macron das Ausländergesetz gegengezeichnet. Durch Veröffentlichung im Staatsanzeiger ist es am Wochenende in Kraft getreten. Doch der jetzt gültige Text ist längst nicht mehr identisch mit der Fassung, die Mitte Dezember mit Mühen im Parlament angenommen worden war. Mit einer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Entscheidung hat der Verfassungsrat rund 40 Prozent des Gesetzes kassiert, weil es in vielen Punkten der Verfassung widerspricht oder sachfremde Elemente enthält, die in andere Gesetzestexte gehören. Das betrifft 35 der insgesamt 86 Artikel des Ausländergesetzes, das Mitte Dezember vom Regierungslager nur mit Unterstützung der rechten Oppositionspartei der Republikaner (LR) durchs Parlament gebracht werden konnte. Dabei hatte die Regierung in Kauf genommen, dass LR den Gesetzesentwurf wesentlich verschärft hat. Dieses Manöver hatte zu einer schweren Regierungskrise geführt, denn es wurde selbst durch Minister und Abgeordnete vom linken Flügel der Regierungspartei Renaissance verurteilt. Der Gesundheitsminister Aurélien Rousseau war aus Protest zurückgetreten, während die anderen »Dissidenten« im Kabinett bei der jüngsten Regierungsumbildung Mitte Januar entlassen wurden.
Linke Opposition fordert Rückzug des Gesetzes
Die linke Opposition, die Gewerkschaften und zahlreiche Ausländerhilfsorganisationen ziehen aus der Entscheidung des Verfassungsrates die Schlussforderung, dass das Gesetz komplett zurückgezogen werden muss. So meinte Manuel Bompart, der Koordinator der Bewegung La France insoumise, der Spruch des Verfassungsrates habe das Gesetz »total amputiert« und es habe jetzt »keinerlei Legitimation mehr«. Dagegen erklärte Innenminister Gérald Darmanin, der Verfassungsrat habe das Gesetz zwar in Teilen beanstandet, aber im Ganzes gebilligt. Jetzt komme es darauf an, die kritisierten Passagen »nachzubessern« und für die als sachfremd eingeschätzten Teile des Textes andere Wege der Umsetzung zu finden. Letzteres betrifft beispielsweise die Verschärfung der Vorbedingungen für die Zahlung von Sozialhilfeleistungen und für die Genehmigung einer Familienzusammenführung.
Als völlig verfassungswidrig wurde beispielsweise der Passus des Gesetzes gewertet, der jährliche Parlamentsdebatten mit dem Ziel eines Votums über Einwanderungsquoten vorsah. Das Gleiche betrifft die per Gesetz für Nicht-EU-Ausländer vorgesehene Verlängerung der Frist bis zur Gewährung von Wohngeld und andere Arten der Sozialhilfe.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Innenminister Frankreichs sieht sich bestätigt
Sehr zufrieden sind die Regierung und vor allem Innenminister Gérald Darmanin darüber, dass die Passagen zur Vereinfachung und Beschleunigung des Prozesses der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Heimat unangetastet bleiben. Genugtuung empfindet die Regierung auch darüber, dass der Paragraf 3 so wiederhergestellt ist, wie er im ursprünglichen Gesetzentwurf enthalten war. Er sichert illegal in Frankreich lebenden Ausländern, die in Branchen mit extremem Personaldefizit arbeiten, das prinzipielle Recht auf Legalisierung ihrer Situation zu. Die Republikaner hatten eine Verschärfung dahingehend gefordert, dass eine solche Legalisierung nur nach Einzelfallprüfung möglich sein und eine Ausnahme bleiben sollte.
Das Ausländergesetz war und ist auch weiterhin in der Öffentlichkeit höchst umstritten. Um das zu demonstrieren und ihrer Forderung nach Rückzug des Gesetzes Nachdruck zu verleihen, haben die linken Oppositionsparteien, die großen Gewerkshaften und zahlreiche Geflüchtetenorganisationen für den 3. Februar zu einem landesweiten Aktionstag aufgerufen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.