Neuer Ärger um Spielstraßen in Berlin

Verbändebündnis und Opposition befürchten das Aus, falls diese künftig als Straßenfest beantragt werden müssen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.

Ball spielen, mit Kreide malen und das dort, wo sonst Autos fahren: Seit 2019 die erste temporäre Spielstraße in der Kreuzberger Böckhstraße eingerichtet wurde, sind sie berlinweit zum Erfolg geworden. Das Konzept ist einfach: Zwischen Frühling und Herbst werden Straßenabschnitte einmal die Woche für den Verkehr gesperrt. 24 regelmäßig errichtete Spielstraßen gibt es mittlerweile. Doch ob das in der kommenden Saison so bleibt, ist fraglich – so zumindest die Befürchtung des Bündnis temporäre Spielstraßen.

Laut Bündnis plane die Senatsverkehrsverwaltung, dass künftig die Bezirke Spielstraßen nur noch dann genehmigen dürften, wenn sie als Straßenfest beantragt werden. »Ein Straßenfest zu beantragen, war schon immer möglich, wird aber von privaten Nachbarschaftsinitiativen nie gemacht, da Aufwand, Kosten und Verantwortung viel zu hoch sind«, sagt Gabi Jung vom Bündnis.

Auf nd-Anfrage entkräftet die Senatsverwaltung diese Befürchtung. Zwar werde gerade der Leitfaden für die Anmeldung von Spielstraßen überarbeitet. Im Zuge dessen solle auch die Möglichkeit einer Anmeldung der Spielstraße als temporäre Veranstaltung betrachtet werden. »Eine Vorgabe, dass Spielstraßen nur als Veranstaltungen durchzuführen sind, besteht auch künftig nicht«, heißt es.

Spielstraßen sind bisher das Ergebnis einer Kooperation zwischen Verwaltung und engagierten Einwohnern. Der Bezirk ist dabei unter anderem verantwortlich für die Verkehrszeichen. Wenn Spielstraßen wie Straßenfeste genehmigt werden sollen, müssten die Nachbarschaftsinitiativen beispielsweise selbst eine Firma für einen Verkehrszeichenplan und die Aufstellung beauftragen. Verwaltungsgebühren fallen zudem an und eine Haftpflicht wird nötig.

Bei Straßenfesten wird dieser Aufwand meist mit kommerziellen Angeboten finanziert. Bei der Regelung, wie es sie für die temporären Spielstraßen bisher gibt, sind Angebote wie Essenstände nicht erlaubt. Der Straßenraum steht den Anwohnern zur Verfügung. »Während bei einer Veranstaltung die Straße privatisiert wird, ist sie bei einer temporären Spielstraße nach wie vor öffentlicher Raum, wie ein Park oder ein Spielplatz«, sagt Jung.

Auch rechtlich ist eine Anmeldung von Spielstraßen als Straßenfeste eigentlich nicht vorgesehen. Das entschied 2015 das Berliner Verwaltungsgericht, nachdem eine Anwohnerin gegen eine als Straßenfest angemeldete Spielstraße in der Pankower Gudvanger Straße klagte.

Die Opposition befürchtet bereits das Aus für die Spielstraßen. Oda Hassepaß, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, spricht von organisatorischen Hürden, »die de facto zum Erliegen der Spielstraßen-Initiativen führen werden«. »Dieser faktische Spielstraßenstopp erfolgt ohne Not und folgt lediglich der Ideologie, jeglichen Straßenraum dem Autoverkehr zur Verfügung zu stellen«, so Hassepaß.

»Sollte Senatorin Schreiner weiter daran festhalten, dass temporäre Spielstraßen nur noch als Veranstaltungen angemeldet werden können, wäre das das faktische Aus für das Engagement vieler Menschen in dieser Stadt«, sagt hingegen Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Beide fordern, das etablierte Konzept beizubehalten.

Zwar heißt es von der Senatsverwaltung, man stimme sich auch mit den Bezirken bei der Überarbeitung des Leitfadens ab. Doch ist zumindest im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, das die berlinweite Koordination des Projekts übernimmt, noch nicht bekannt, dass die Anmeldung als Straßenfest nur optional sein soll. Höheren Verwaltungsaufwand befürchtet man dort durch die nicht nachvollziehbare »Trendwende«. »Mit den geplanten veränderten Vorgaben für Spielstraßen zerstört der Senat das Projekt faktisch«, so das Bezirksamt auf Anfrage.

Bereits im Sommer hatte es Sorgen um den Fortbestand der Spielstraßen gegeben, weil im Haushaltsentwurf zunächst deutlich weniger Geld als erforderlich vorgesehen war. Die erforderlichen Mittel stehen aber mittlerweile bereit.

Und wenn die Anmeldung als Straßenfest weiterhin nur optional bleiben sollte, dürfte dem fröhlichen Treiben auf den temporären Spielstraßen auch diesen Sommer nichts im Weg stehen.

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