- Sport
- Volleyball: Campions League
Ruben Schott schreit die Berlin Volleys zum Playoff-Sieg
Nach einem zwischenzeitlichen Tief führt der Kapitän Berlins Volleyballer in der Königsklasse zum 3:1-Hinspiel-Erfolg gegen Tours
Ruben Schott warf wütend seine Arme zur Seite. »Kommt schon!«, brüllte er seinen Kollegen zu, als wollte er sagen: So geht es nicht. Wacht endlich auf! Der Kapitän des deutschen Volleyballmeisters Berlin Volleys hatte gerade einen Ball absichtlich in den Block des französischen Pendants Tours VB gespielt, um mit dem erwarteten Abpraller einen neuen Angriff zu starten. Doch die Kollegen sicherten ihn nicht ab. Der Ball fiel ins Feld, der zweite Satz war verloren: 1:1. Das Achtelfinalhinspiel in der Champions League vor eigenem Publikum drohte den Berlinern aus den Händen zu gleiten. Da schlug die Stunde des Kapitäns.
Eine knappe Stunde später leuchtete ein 3:1 auf der Anzeigetafel, die Fans waren ebenso beruhigt wie Spielführer Schott. Zwar hatte sein Ausbruch nicht bei allen die gewünschte Wirkung gezeigt, aber doch bei genügend Kollegen, um die Sätze drei und vier recht deutlich zu gewinnen. Und wenn es doch noch mal hakte, wie Mitte des letzten Durchgangs, dann machte Schott es eben allein: Elf Punkte gewannen der Tabellenführer der Bundesliga durch gegnerische Fehler, von den restlichen 14 zum 25:22 erzielte Schott sechs mit krachenden Assen und einer hundertprozentigen Angriffsquote. Da ging einer voran.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
»Irgendjemand muss es ja tun. Schon in den letzten Jahren sind wir manchmal zu lieb miteinander umgegangen. Wir mögen uns ja alle wirklich gern«, sagte Schott nach dem Spiel gegenüber »nd«. Das schließe aber nicht aus, dass man sich im Spiel über die Fehler der anderen offen ärgern könne. »Wir sind ja trotzdem professionelle Volleyballspieler und wollen gewinnen. Wir fordern in jedem Training, dass kein Ball auf den Boden fällt, ohne dass sich irgendjemand danach schmeißt. Genauso dürfen wir das dann doch auch im Spiel nicht akzeptieren.«
Die Wahl zum besten Spieler des Matches war eigentlich keine. Schott, der, was das Punktesammeln angeht, normalerweise hinter den angriffsstärkeren Teamkameraden Marek Šotola und Timothée Carle in den Statistiken untergeht, war diesmal mit 18 Zählern auch quantifizierbar der beste Mann am Netz. Viel wichtiger aber waren seine offensichtlichen Führungsqualitäten. »Ich fühle mich mittlerweile in der Verantwortung als Kapitän und jetzt schon etwas älterer Spieler«, sagte der 29-jährige gebürtige Berliner. »Ich muss Impulse setzen, damit jeder seine Aufgaben erfüllt.«
Dabei war anfangs der Karriere eine solche Entwicklung überhaupt nicht absehbar. Als Schott 2013 als 18-Jähriger erstmals für die BR Volleys spielen durfte, wirkte er eher so, als wolle er bloß nicht auffallen. »Ich war das Küken im Team und blieb lieber ganz bei mir«, erinnert sich Schott heute an diese Zeit. 2017 ging er nach Italien. »Die vier Jahre im Ausland haben mir sehr gutgetan. Nach meiner Rückkehr wurde ich dann immer mehr an diese Kapitänsrolle herangeführt, die ich jetzt ausfülle. Anderen fällt das leichter, weil sie ohnehin extrovertiert sind. Aber für mich war dieser längere Weg genau richtig.«
Den letzten Schub Selbstvertrauen tankte der Außenangreifer im vergangenen Sommer bei der erfolgreichen Olympiaqualifikation mit der Nationalmannschaft. Damit einher ging die Selbstsicherheit, in schwierigen Situationen klare Ansagen an die Kollegen zu machen. So wurde Schott auch zum Sprachrohr des neuen Berliner Trainers Joel Banks, der in Sachen Einsatz mit ihm auf einer Wellenlänge schwingt. »Ruben ist ein Kämpfer. Nicht umsonst ist er unser Kapitän. Er zeigt einen riesigen Charakter«, schwärmte Banks im nd-Gespräch nach der Partie. »Es geht nicht darum, was man macht, sondern wie man es macht. Wie steht man auf dem Feld, mit welcher Intensität spielt man? Da repräsentiert Ruben alles Gute der BR Volleys.«
Auch der Engländer fuhr am Mittwochabend mehrmals aus der Haut. »Das war sicher nicht unser bestes Spiel. Manchmal ist das aber auch irrelevant. Ich verlange gar nicht, dass wir jedes Mal perfekt sind. Aber ich verlange mehr emotionales Engagement. Die Gruppenphase ist vorbei. Vielleicht könnte das das letzte Spiel vor unseren Fans sein, und wir werden Ende des zweiten Satzes total stumm«, begründete Banks seine Zwischenrufe. »Klar ist Tours ein starker Gegner, trotzdem müssen wir alles geben, um Rückstände schneller aufzuholen. Wir dagegen flachten ab. Das war inakzeptabel.«
Beim Rückspiel in einer Woche in Frankreich erwartet Banks eine »aggressive, sogar feindliche Atmosphäre« seinen Spielern gegenüber, heißt die jedoch willkommen: »Wenn man weiß, dass man in die Hölle geht, kann man sich wenigstens darauf vorbereiten.« Rechtzeitig aufzuwachen, sollte dann also kein Problem mehr sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.