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  • Schwimm-WM in Katar

Florian Wellbrock startet in Doha mit einer Mammutaufgabe

Der Schwimmer aus Magdeburg ist bei der WM Favorit im Freiwasser, im Becken geht’s um Olympia

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.
Vom Freiwasser in den Pool: Florian Wellbrock ist bei seiner »Mammutaufgabe« in Doha vor allem im Becken gefordert.
Vom Freiwasser in den Pool: Florian Wellbrock ist bei seiner »Mammutaufgabe« in Doha vor allem im Becken gefordert.

Florian Wellbrock wirkt ein wenig nachdenklich, wenn er an sein bevorstehendes Arbeitspensum am Persischen Golf denkt. Normalerweise zieht der 26-Jährige in den ersten beiden Wintermonaten fleißig seine Trainingsbahnen im Schwimmbad. »Aber jetzt«, sagt er staunend, »steht da plötzlich eine Weltmeisterschaft auf dem Programm.« Zum ersten Mal überhaupt in einem olympischen Jahr kommt die Schwimmelite nun auch bei einer WM zusammen.

Knapp sechs Monate vor den Sommerspielen in Paris dient Katar als Bühne für den Spitzensport – denen viele Spitzenkräfte wegen des ungewöhnlichen Termins allerdings den Rücken kehren. Die USA, neben Australien die führende Schwimmnation, schickt nur ein 18-köpfiges Rumpfteam nach Doha; bei der WM im vergangenen Jahr waren noch 48 amerikanische Schwimmerinnen und Schwimmer am Start. So bevorzugt die siebenfache Olympiasiegerin Katie Ledecky das Kachelnzählen im Trainingspool. Ebenso wie ihr Landsmann Caeleb Dressel, der von den Spielen in Tokio mit fünf Goldplaketten heimkehrte.

Einen Bogen um die Titelkämpfe vom Weltverband World Aquatics machen auch einige Topstars aus Down Under: Ariarne Titmus, Olympiasiegerin über 200 und 400 Meter Freistil von Tokio, fehlt ebenso wie Kyle Chalmers, Titelverteidiger über 100 Meter Freistil. Der Weltrekordhalter in dieser Königsdisziplin, der 19-jährige Rumäne David Popovici, lässt sich auch nicht blicken. Mit dabei aus der Riege der Pool-Größen ist dafür die 30-jährige Schwedin Sarah Sjöström, die bereits 2009 in Rom ihren ersten WM-Titel gewann. Der britische Brustspezialist und dreimalige Olympiasieger Adam Peaty gibt nach einer Pause wegen mentaler Probleme sein WM-Comeback.

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Das neunköpfige Team des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) mit sieben Männern und zwei Frauen für die Beckenwettbewerbe führt Florian Wellbrock an. Der verweist fürs Erste auf seine starken Trainingsleistungen in den letzten Wochen. Doch der Saisonhöhepunkt im Sommer, die Olympischen Spiele in Paris, beeinflusst auch ihn. »Mein Leistungsstand ist mit Sicherheit nicht auf dem absoluten Toplevel. Aber das soll er jetzt auch nicht sein, das kommt in Paris«, betont Wellbrock, der bei der WM im vergangenen Jahr in Fukuoka ein extremes Wechselbad der Gefühle erlebte: Zunächst erkraulte sich der gebürtige Bremer im Freiwasser über fünf und zehn Kilometer in bestechender Dominanz jeweils Gold. Um dann nach dem Umzug ins Becken über 800 und 1500 Meter Freistil sang- und klanglos im Vorlauf zu stranden.

»Er trägt da schon ein bisschen Ballast von der letzten Weltmeisterschaft mit sich herum«, sagt Bundestrainer Bernd Berkhahn, zugleich Wellbrocks Heimtrainer in Magdeburg. Sein Vorzeigeschüler pflegt hingegen einen sehr pragmatischen Umgang mit den Malaisen des Vorjahres: »Der sportliche Albtraum im Pool von Fukuoka spielt überhaupt keine Rolle mehr«, betont Wellbrock – und entwirft dazu ein sehr anschauliches Bild: »Rein emotional und psychisch gesehen«, erklärt er, »bin ich sehr gut darin, Dinge in Schubladen zu stecken und diese Schubladen dann auch zuzulassen.«

Sein wieder einmal strammes Programm eröffnet der resolute Dauerkrauler, der hinter dem Leistungseinbruch im Vorjahr eher etwas Körperliches als etwas Mentales vermutet, am Sonntag im alten Hafen von Doha über die olympischen zehn Kilometer. Bereits einen Tag zuvor macht sich an gleicher Stelle die Würzburgerin Leonie Beck über dieselbe Distanz an die Titelverteidigung.

Auch Florian Wellbrock will seine beiden Freiwasser-Triumphe von Fukuoka nun in Doha sehr gerne wiederholen. Als eine »Mammutaufgabe« bezeichnet der Olympiasieger von Tokio im Freiwasser dieses Vorhaben – und dachte früher auch schon mal laut über die enorme Bedeutung seiner goldenen Plakette im Zeichen der fünf Ringe nach. »Der Olympiasieg hat mich ein bisschen stolzer gemacht, aber auch leichter. Das ist so, als wäre eine Last von meinen Schultern abgefallen«, sagte er im Gespräch mit »nd«. Und auf die Frage, ob der angestrebte und noch offene Olympiasieg im Becken nach dieser Erfahrung eine vergleichsweise kleine Herausforderung für ihn sei, antwortete er entspannt: »Das kann man schon ungefähr so in Worte fassen.« Das wäre, fügte er noch hinzu, »dann eben ein anderer olympischer Titel«.

Doch um überhaupt in die Lage zu kommen, auch im Pool olympisches Gold zu ergattern, muss er erst das Desaster von Fukuoka überwinden. In der zweiten Woche der Weltmeisterschaften steigen in Doha die Beckenwettbewerbe – und für Florian Wellbrock beginnt nach der Mammutaufgabe im freien Gewässer damit die Sondermission über 800 und 1500 Meter Freistil. Mit dem Hannoveraner Sven Schwarz bekommt er dabei starke Konkurrenz aus dem eigenen Team, wobei Wellbrocks Ziel klar festgelegt ist: »Platz vier und dabei bester Deutscher sein – damit ich dann mit zwei zusätzlichen Olympiatickets nach Hause komme.«

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