EU-Lieferkettengesetz: FDP steht auf der Bremse

Für Anna Cavazzini hätte das Scheitern des EU-Lieferkettengesetzes erhebliche Folgen

  • Anna Cavazzini
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Näherinnen in einer Halle in Rangun (Myanmar)
Näherinnen in einer Halle in Rangun (Myanmar)

Die EU importiert jährlich Produkte im Wert von rund 50 Milliarden Euro, die in Verbindung mit Kinderarbeit stehen. Umgerechnet bedeutet das: Etwa 100 Euro gibt jede*r Europäer*in pro Jahr für Produkte aus Kinderarbeit aus. Die Zahlen sind krass, aber nur ein Bruchteil der Menschenrechtsverletzungen in unseren Lieferketten.

Europäische Unternehmen produzieren weltweit. In der Regel, weil es billiger ist, in Länder zu gehen, in denen die Löhne, Sozial- und Umweltstandards niedriger sind als bei uns. Manche Länder des globalen Südens ziehen die Sozialstandards nicht an, weil sie wissen, dass die Firmen dann dahin abwandern werden, wo die Löhne und Arbeitsschutzmaßnahmen für die Näher*innen oder die Bergbauarbeiter*innen noch geringer sind. Es kommt zu einem Unterbietungskampf, aus dem es nicht leicht ist herauszukommen.

Anna Cavazzini

Anna Cavazzini ist seit 2019 Europaabgeordnete der Grünen.

In Deutschland gilt deswegen seit Anfang letzten Jahres das Lieferkettengesetz. Damit sollen deutsche Unternehmen ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen überprüfen. Nun soll auch auf europäischer Ebene ein solches Gesetz eingeführt und damit gleiche Bedingungen auf dem EU-Binnenmarkt geschaffen werden. Nach zwei Jahren Verhandlungen haben die Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission und das Europaparlament Mitte Dezember endlich einen Kompromiss gefunden. Doch auf den letzten Metern steht das Gesetz auf der Kippe: Die FDP will dem Kompromiss nicht zustimmen und die Bundesregierung damit zu einer Enthaltung auf europäischer Ebene zwingen. Weil die Mehrheiten im Rat knapp sind, stünde das Gesetz damit vorm Scheitern.

Kritiker*innen sagen, dass beispielsweise die EU-Gesetzgebung deutlich mehr Unternehmen als das deutsche Gesetz einbezieht, weil schon Unternehmen ab 500 Mitarbeitenden und nicht erst ab 1000 Mitarbeitenden die Auflagen erfüllen müssen. Die Wahrheit ist aber auch, dass 99 Prozent aller Unternehmen in Europa nicht unter die Regeln fallen werden.

Und dennoch gehen viele Unternehmensverbände auf die Barrikaden. Das Gesetz sei ein Bürokratiemonster, welches vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen überfordere – die eben gar nicht vom EU-Lieferkettengesetz betroffen sind. Was aber drin steht: Große Unternehmen müssen ihre kleineren Zulieferer bei der Erfüllung der Richtlinie unterstützen, damit die großen nicht länger ihre Verantwortung auf ihre kleineren Zulieferer abwälzen.

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Das gilt auch für Zulieferer außerhalb der EU. Schaut man sich die Gewinnspannen entlang einer Lieferkette an, dann machen in der Regel die großen europäischen Unternehmen wie H&M die größten Gewinne. Die Fabriken in Bangladesch oder China machen deutlich weniger Profit. Denn die europäischen Unternehmen sitzen oft am längeren Hebel und drücken mit ihren Einkaufstaktiken und der Androhung von Abwanderung die Preise. Deswegen sieht die EU vor, dass Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen, Zulieferern bei der Einhaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen unterstützen und unfaire Einkaufspraktiken dort einstellen, wo sie die Menschenrechte gefährden.

Das Lieferkettengesetz schafft außerdem Anreize für Unternehmen, ihre Lieferketten transparenter zu gestalten und langfristig zu überdenken. Das ist auch eine Chance für die Unternehmen. Studien zeigen, dass Unternehmen, die ihre Sorgfaltspflichten erfüllen und dadurch ihre Lieferketten kennen, deutlich besser auf Krisen reagieren können. Wo andere erst mal anfangen müssen, das komplexe Wirrwarr von Zulieferern zu durchdringen, können diese Unternehmen schnell handeln und umspringen, wenn es zu Krisen wie Covid 19 oder dem Ukraine-Krieg kommt.

Insgesamt bietet das Lieferkettengesetz die Chance, die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Lieferketten verwalten und damit die Globalisierung nachhaltiger zu machen. Europa, mit dem größten Binnenmarkt der Welt, hat die Möglichkeit, wegweisende Signale zu senden. Die FDP darf das nicht verhindern. Nun liegt die Entscheidung bei Olaf Scholz.

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