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Die Heilsamkeit des Höllenfeuers

Es geht um Angst, Phobien und feministische Selbstermächtigung: In Berlin beginnt das »Final Girls«-Filmfest

  • Paula Jeri Perschke
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Komplexität von Begehren, Angst, Wut: »T Blockers« von Alice Maio Mackay (Australien 2023)
Die Komplexität von Begehren, Angst, Wut: »T Blockers« von Alice Maio Mackay (Australien 2023)

Angst kann vieles bedeuten. Ein komplexes Gefühl, was Menschen miteinander verbindet, sei es durch gemeinsame Erfahrungen und Traumata, durch das Erleben der Welt, wie sie war, ist und noch sein wird, oder durch die bloße Lust, sich in Zustände des Schauerns zu versetzen. Alles in allem aber ist vor allem Furcht ein stetes feministisches Thema. Denn was Frauen, nicht-binären und queeren Menschen in Angst und Schrecken vesetzt, ist für alle anderen nicht unbedingt nach- beziehungsweise vorstellbar. Sexismus, häusliche Gewalt, der nächtliche Weg nach Hause, Ungleichheit und Existenzängste sind für FLINTA aber schlichtweg Bestandteil ihres Alltags.

Eine künstlerische Auseinandersetzung mit diesen Themen kann daher therapeutisch, ja sogar heilsam sein. Welches Genre eignet sich dazu am besten, wenn nicht der Horrorfilm? Gerade im Bereich des Horrors laufen viele Fäden zusammen, die zeigen, dass die Hölle auf Erden bereits Realität ist: Klimakatastrophe, Kriege und technologische Neuerungen à la Elon Musk (der das Gehirn mit Computern vernetzen will). Kapitalismus, in seiner unverhüllten Form.

Dass Horror und Zeitgeist parallel laufen, ist dem Team des »Final Girls Berlin«-Filmfests bewusst, und so legen sie auch bei ihrem neunten Festival, das nun unter dem Motto »Circle of Hell« beginnt, großen Wert darauf, Filme zu zeigen, die sich aus intersektionalen Blickwinkeln beziehungsweise thematisch mit marginalisierten Positionen und deren Lebensrealitäten auseinandersetzen. So spielen nicht nur (queer-)feministische Themen und Sichtweisen eine Rolle, sondern immer auch deren Verschränkung zu Kapitalismus, Rassismus und Klasse.

»Das Programm ist in diesem Jahr so vollgepackt wie noch nie«, sagt Festivalleiterin Eli Lewy. »Unterschiedliche Perspektiven sind dringend nötig und ein Zugewinn für das Horror-Genre. Frauen und nicht-binäre Filmemacher*innen haben schließlich andere Lebenserfahrungen als der ›typische‹ weiße, männliche, heterosexuelle, bürgerliche und körperlich gesunde Regisseur, und ihre Filme spiegeln diese Erfahrungen wider«, betont Lewy. Ko-Leiter*in Sara Neidorf ergänzt: »Wir brauchen nuancierte Darstellungen von Fantasien und Ängsten, nicht nur die Projektionen von cis-Männern, darauf, wie diese sich die Psyche von Frauen* vorstellen. Je unterschiedlicher die Menschen hinter der Kamera sind, desto vielfältiger sind auch die Perspektiven, die Kameraführungen, die Dialoge, der Schnitt, die Politiken und die Komplexität von Begehren, Angst, Wut und menschlichen Beziehungen.«

Bei »Final Girls Berlin« geht es thematisch in diesem Jahr vor allem um Trauer, Trauma, Lohnarbeit und natürlich Körper. Von den insgesamt elf Featurefilmen werden einige der Werke ihre Berlinpremiere erleben. So auch der französische Thriller »Our Father, the Devil« (Regie: Ellie Foumbi, 2021), der von einer Frau erzählt, die versucht, sich in Frankreich ein neues Leben aufzubauen, als sie von ihrer düsteren Vergangenheit in Guinea eingeholt wird.

Empfehlenswert sind außerdem die zwölf Kurzfilmblöcke, bei denen u.a. die Kategorien »Workplace Horror«, »Tech Horror«, »Family Horror«, »Absurd and Surreal Horror« sowie die beliebte Sparte »Queer Horror« vertreten sind. Wer sich weiter mit body politics und dem queer gaze beschäftigen will, dem sei die Buchvorstellung von »Queer for Fear: Horror Film and the Queer Spectator« von Heather Petrocelli und May Santiago ans Herz gelegt.

Genderkonstruktionen sind bei »Final Girls Berlin« also nicht nur im Hinblick auf die filmischen Narrative und Themen relevant, es wird auch danach gefragt, wer die Filme schreibt, dreht und produziert. »Natürlich hat es immer schon Frauen im Bereich Horror gegeben«, sagt Sara Neidorf und führt die Schriftstellerinnen Mary Shelley, Daphne du Maurier, Shirley Jackson an und die Pionierinnen des Stumm- und Experimentalfilms wie Germaine Dulac und Maya Deren. »Aber Frauen waren in dem, was wir als Horrorkino bezeichnen, nur selten in der Rolle der Regisseurin. Das hat sich erst ab den 2010er-Jahren geändert.« Und es werden von ihnen auch nicht mehr die immer gleichen Erzählungen aufgewärmt wie etwa die moralischen Slasher-Geschichten, in denen Frauen für ihr Begehren oder für ihre Souveränität umgebracht oder bestraft werden.

Um sich auch gegen Vampire wehren zu können, wird übrigens auch ein »Fearless Vampire Killers Workshop« angeboten, bei dem unter anderem gelernt werden kann, wie Weihwasser geschleudert und wie ein Kruzifix kreativ verwendet wird. Die Kurator*innen von »Final Girls Berlin« suchen und schaffen das Gemeinsame im Grauenhaften. Denn zusammen ist die Hölle besser zu ertragen.

Final Girls Berlin vom 7.–11. Februar im City Kino Wedding, Müllerstraße 74, Berlin und online, www.finalgirlsberlin.com

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