Neue Gentechnik: Schluss mit der Kennzeichnungspflicht

Mehrheit im Europaparlament will die Regeln für veränderte Pflanzen lockern

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Befürworter der Neuen Gentechniken versprechen gerne das Blaue vom Himmel.
Befürworter der Neuen Gentechniken versprechen gerne das Blaue vom Himmel.

In der Europäischen Union werden die Weichen in der Landwirtschaft neu gestellt, allerdings nicht im Sinne des Umweltschutzes und der Verbraucher. So kippte die EU-Kommission am Dienstag ihren Entwurf für eine Pestizidverordnung, die weniger Chemie in der Landwirtschaft zum Ziel hatte. Bereits im vergangenen Jahr hatte Brüssel zudem einen Vorschlag für die künftige gesetzliche Regelung von Gentechnik vorgelegt, der Lockerungen vorsieht. Am Mittwoch stimmte nun im EU-Parlament eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Rechten für eine Aufweichung. So will man den angeblich risikoarmen Neuen Genomischen Techniken (NGT) den Weg ebnen. Bevor die neuen Regeln kommen, müssen sie aber noch mit den EU-Staaten und der Kommission ausgehandelt werden. Die Gespräche werden wohl erst nach den Europawahlen im Juni aufgenommen.

Während bei klassischen Verfahren fremde Gene in einen Organismus eingesetzt werden, verändert man bei den NGT die Gene der Pflanze selbst. Sie werden in diesen Verfahren eingefügt oder entfernt beziehungsweise an- oder ausgeschaltet. Ziel der beschlossenen Lockerungen ist es, Pflanzen zu züchten, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen oder weniger Pestizide benötigen. Nina Holland, Wissenschaftlerin bei der konzernkritischen NGO Corporate Europe Observatory, hat da ihre Zweifel: »Unternehmen wie Bayer und BASF werden die Landwirtschaft wohl kaum mit neuen Nutzpflanzen pestizidfrei machen.« Schließlich verdienten beide Konzerne ihr Geld mit eben diesen Pestiziden.

Auch im Parlament gibt es erhebliche Zweifel, wie sich bei der Debatte am Dienstag zeigte. So kritisierte Anja Hasekamp von der Linksfraktion: »Die NGT verschärfen nur die Abhängigkeit von Düngemitteln, Pestiziden und multinationalen Konzernen. Sie führen zu Konsolidierung von Monokulturen und zum Niedergang der Kleinbauern.«

Die Kritik richtet sich vor allem gegen den geplanten Wegfall der Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die NGT-veränderte Pflanzen enthalten. So werden gleich zwei EU-Verordnungen ausgehebelt. Die eine schreibt vor, dass alle Produkte, die aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden oder selbst gentechnisch verändert sind, entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Laut der anderen müssen Ursprung und Verbleib von Produkten, die mit gentechnisch veränderten Organismen hergestellt wurden, über die gesamte Lieferkette dokumentiert werden. Diese beiden Verordnungen machten den Einsatz von Gentechnik bislang unattraktiv. Diese Vorschriften sollen nun nur für die klassische Gentechnik gelten.

Martin Häusling, Schattenberichterstatter der Grünen, kann das nicht nachvollziehen: »Sogar die Vereinigten Staaten haben die Kennzeichnung und Nachvollziehbarkeit bei der Nutzung der Neuen Gentechniken eingeführt, während die EU-weit hinterherhinkt.« Tatsächlich haben Konsumenten keine Wahlfreiheit mehr, wenn solche Lebensmittel nicht entsprechend gekennzeichnet sind. Auch 270 Unternehmen der Lebensmittelbranche forderten, die derzeitige Gentechnikkennzeichnung beizubehalten.

Doch was sagen die Bauern? Die Bio-Bauern sind dagegen, fürchten sie doch eine Kontamination ihrer Produkte. Ganz im Gegensatz dazu sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied: »Wir müssen den Werkzeugkasten der Pflanzenzüchtung um dieses Instrument erweitern, um Schritt halten zu können.« Es dürfe aber »grundsätzlich keine Patente auf Organismen, biologisches Material oder Gensequenzen geben«.

Schon jetzt ist die EU keine gentechnikfreie Zone. So dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen importiert und als Lebens- und Futtermittel in den Verkehr gebracht werden. Der Anbau ist jedoch streng reglementiert und in vielen EU-Staaten verboten. Bislang hat nur eine Sorte, der Gen-Mais MON-810, eine entsprechende EU-Zulassung. Vor allem Bauern in Spanien und Portugal nutzen das Saatgut.

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