NRW: Mehr Selbsttötungen in Haft

25 Menschen nahmen sich 2023 in Gefängnissen des Bundeslandes das Leben

  • David Bieber
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehr als doppelt so viele Menschen haben sich 2023 in Gefängnissen in Nordrhein-Westfalen das Leben genommen als im Jahr zuvor. Nach Angaben der Landesjustizvollzugsdirektion (LJVD) waren es 25 Personen im vergangenen Jahr, zwölf im Jahr 2022.

Ein besorgniserregender Anstieg? »Bei der Bewertung der Zahlen ist zu bedenken, dass Suizide im Justizvollzug seltene Ereignisse darstellen«, erklärt Maurits Steinebach »nd«. Der stellvertretende Pressesprecher der LJVD sieht zudem jährliche Schwankungen bei den Selbsttötungen. Infsofern sei »bei aller Tragik jedes Einzelfalls der Aspekt der statistischen Zufälligkeit naheliegend«.

Insgesamt seien in NRW zurzeit 14 137 Menschen inhaftiert, jährlich durchliefen etwa 30 000 bis 40 000 Personen den Justizvollzug. Die Suizidrate, könnte man schlussfolgern, ist in Anbetracht der Gesamtzahlen also sehr gering. Der Anstieg im vergangenen Jahr ist dennoch sehr signifikant.

Mareike Ullrich, Sprecherin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Duisburg-Hamborn erklärt auf nd-Anfrage, zwar hätten sich die Haftbedingungen in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts deutlich verbessert. Das formale Umfeld ändere aber »erst einmal nichts an der psychischen Verfassung eines Inhaftierten«. Wesentlicher bei der Prävention von Selbsttötungen seien Notfallpläne bei akuten Suizidgedanken von Inhaftierten sowie gute Konzepte für die JVA.

Vorgaben dazu macht das Justizministerium in der Rundverfügung »Suizidprävention in Justizvollzugsanstalten«. Kernstück ist das Informations- und Merkblatt »Suizidprävention«. »Es regelt den Umgang mit Gefangenen oder Untergebrachten, bei denen eine suizidale Gefährdung beziehungsweise akute Suizidalität festgestellt wird«, erklärt Steinebach.

Praktiziert werden die Unterbringung mit geeigneten Gefangenen in Gemeinschaftszellen, Beschäftigungsmaßnahmen, die Verlegung in besonders gesicherte Räume oder auch die »unausgesetzte (Video-)Überwachung« bis hin zur Verbringung in die psychiatrische Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses NRW in Fröndenberg oder in eine andere Klinik. Zudem gibt es in jeder JVA in NRW Suizidpräventionsbeauftragte, die Selbsttötungen und versuchte Suizide aufarbeiten.

Trotz all dieser Maßnahmen geht die Selbsttötungsrate nach oben, zuletzt eben um 100 Prozent. Eine mögliche Erklärung: Die Zahl der psychisch auffälligen Inhaftierten hat laut einer JVA-Leiterin aus Düsseldorf zuletzt zugenommen.

Die Gründe sind aber hoch individuell. »Das können der Tod von Angehörigen, Probleme in der Partnerschaft durch die Inhaftierung, Trennungsproblematik in Bezug auf vertraute Personen, der Verlust der Arbeit oder auch die Tat sowie die Strafe selbst sein«, sagt Mareike Ullrich. In der JVA Hamborn im Duisburger Norden, einer von 36 in NRW, habe es im zurückliegenden Jahr erstmals wieder zwei Suizide gegeben, nachdem sich 2022 keine und 2021 eine Person das Leben genommen habe.

Die Inhaftierten werden mitunter minutiös überwacht. Das soll ihrer eigenen Sicherheit dienen. »Die Umsetzung eines wirklich gewollten Suizides gilt es durch eine dauerhafte Beobachtung weitgehend einzuschränken«, erklärt Ullrich. Die Überwachung mittels Videokameras soll aber alles andere als ein Freifahrtschein für eine totale Überwachung der Inhaftierten zu jeder Zeit und an jedem Ort sein. Der Schutz der Privatsphäre steht auch Häftlingen zu – zumindest in der Theorie. »Das Datenschutzgesetz sieht vor, dass Inhaftierte wissen müssen, dass sie beobachtet werden«, betont die JVA-Sprecherin.

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