Campus Ohlauer in Kreuzberg: Insel in der Wohnungsnot

Der Campus Ohlauer schafft bezahlbaren Wohnraum für Wohnungslose, Studierende, Geflüchtete und Familien in Berlin

  • Merrin Chalethu
  • Lesedauer: 4 Min.
Geflüchtete, ehemals Wohnungslose und Studierende wohnen im Campus Ohlauer.
Geflüchtete, ehemals Wohnungslose und Studierende wohnen im Campus Ohlauer.

Vor einem knallorangen Gebäude neben dem Görlitzer Park laden junge Menschen Möbel aus einem Umzugswagen aus. Vor Jahrzehnten wurde auf dem Gelände der Gerhart-Hauptmann-Schule unterrichtet. Danach wurde es von Geflüchteten besetzt, bis es für ein neues Bauprojekt freigegeben wurde. Seit November 2023 ziehen Menschen mit niedrigem Einkommen in die neu entstandenen Ein- bis Vierzimmerwohnungen in der Ohlauer Straße 18 ein.

Der Campus Ohlauer, ein Kooperationsprojekt der Howoge und diverser karitativer Träger, wurde Ende 2023 fertiggebaut und gilt im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Vorzeigeobjekt – so war es auch Teil einer Bezirkstour mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). 30 Wohnungen der Howoge werden frei finanziert, die restlichen 90 werden an Menschen vermietet, die ansonsten kaum Zugang zu so zentral gelegenen Räumen hätten. Das Angebot richtet sich zum Beispiel an Wohnungslose, Frauen mit Kindern, einkommensschwache Familien, Geflüchtete und Studierende.

Verschiedene Träger wie das Diakonische Werk Berlin-Stadtmitte und das Martinswerk haben jeweils bis zu 15 Wohnungen zur Verfügung. Zusätzlich wurden den Trägern etwa 50 Wohnungen zur Verfügung gestellt, die sie gemeinsam diskriminierungsfrei an benachteiligte Menschen verlosten. Für die Anwohner*innen sind verschiedene Begegnungszonen angedacht, wo sie aufeinandertreffen können – zum Beispiel ein Spielplatz und eine Gemeinschaftsküche. Die ursprünglich geplante Bibliothek auf dem Campus Ohlauer Straße sei auf Wunsch des Bezirks durch eine Kita ersetzt worden, sagt Annemarie Rosenfeld, Sprecherin der Howoge.

Agnes Lahl und Regina Brunner vom Diakonischen Werk Stadtmitte erzählen, dass alle Wohnungen schnell vergeben waren. »Es ist unglaublich schwierig für diese Personenkreise, überhaupt eine Wohnung in Berlin innerhalb des S-Bahnrings zu bekommen«, sagt Brunner bei einem Besuch des Wohnprojekts zu »nd«. Die Berliner Wohnungsnot treffe insbesondere Menschen mit wenig Einkommen. Zurzeit stünden nur noch die letzten Wohnungen der Howoge zum Angebot. Das Diakonische Werk erhalte aber dennoch regelmäßig Anfragen.

Die 13 Wohnungen, die das Diakonische Werk direkt vermieten kann, sind bereits möbliert und mit Waschmaschinen sowie Küchenzeilen ausgestattet. Sie gehen an wohnungslose Menschen und an junge Geflüchtete. Einer der neuen Bewohner*innen ist Manfred, den Lahl aus ihrer Arbeit im Suchthilfebereich kennt. Beim Besuch in der Ohlauer Straße erzählt er von seiner Geschichte. 20 Jahre lang habe er in Kreuzberg gewohnt, bis er 2019 seine Wohnung durch eine Zwangsräumung verloren, daraufhin erst auf der Straße und dann in einer Wohnungslosenunterkunft gelebt habe. »Ich war Teilnehmer des Suchtprojekts bei Frau Lahl und dann hat sie mich für das betreute Wohnen hier angefragt«, erzählt er. »Ich hätte in der Gegend Kreuzberg keine Chance gehabt, eine bezahlbare Wohnung zu finden.«

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Dass die Wohnung mit Betreuung einhergeht und er sich auf einen wöchentlichen Termin mit dem Diakonischen Werk einlassen muss, stört ihn nicht. Im Gegenteil: »Ich finde das ganz gut, dass hier jemand ein Auge auf mich hat, damit ich nicht wieder anfange zu trinken«, sagt er. Das deckt sich gut mit den Bedingungen des Trägers. »Die Bereitschaft zu kooperieren und zur Bewältigung der schwierigen Situation muss gegeben sein«, sagt Lahl. »Wir unterstützen den Prozess. Wir übernehmen aber nicht alle Schritte.« Bei den wöchentlichen Terminen wird größtenteils die anfallende Bürokratie erledigt. Mit der gebotenen Unterstützung sucht Manfred derzeit eine Anstellung. »Ich möchte wieder einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, sobald das Organisatorische erledigt ist«, sagt er.

Das Projekt Campus Ohlauer Straße scheint gelungen. Kritisch sehen Manfred, aber auch Brunner und Lahl nur den geplanten Zaun um den Görlitzer Park. Dieses Vorhaben führe nur zu einer Problemverlagerung statt -lösung, meinen sie. Wenn die Leute aus dem Park vertrieben würden, müssten sie sich stattdessen im Wohngebiet aufhalten.

Brunner arbeitet schon lange beim Diakonischen Werk. Die Wohnsituation in Berlin spitze sich zu, sagt sie. 1990 habe es noch nicht so viele wohnungslose Familien gegeben. Sie wünscht sich, dass »es mehr solche Projekte gibt, die verschiedene Menschengruppen zusammenbringen und Menschen mit niedrigem Einkommen eine Wohnung im Stadtinneren ermöglichen«.

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