Gedenken und Mahnen in Dresden

Zehntausende erinnerten an Opfer alliierter Bombardements 1945 und warnten vor Gefahr von rechts

  • Michael Bartsch, Dresden
  • Lesedauer: 4 Min.
Kerzen in der Riesenkerze: Gedenken vor der Dresdner Frauenkirche am Dienstagabend.
Kerzen in der Riesenkerze: Gedenken vor der Dresdner Frauenkirche am Dienstagabend.

Kommerz geht vor Gedenken. Der Dresdner Altmarkt ist zu zwei Dritteln mit Verkaufsständen zugestellt. Hier wurden nach den britisch-US-amerikanischen Bombardements, die am späten Abend des 13. Februar 1945 begannen, 6865 Leichen verbrannt, also mehr als ein Viertel der rund 25 000 Opfer. Jetzt erinnert zumindest wieder eine Stele daran, nachdem die Stadt im Januar eine ohnehin unglücklich platzierte Inschrift an der Abfahrt zu einer Tiefgarage hatte entfernen lassen – ein Ärgernis für viele Dresdner und gefundenes Fressen für Rechtsextreme. Per Transparent war an diesem 13. Februar 2024 die alte Inschrift wieder da, umgeben von Kränzen, Blumen und Lichtern.

Auf dem verbleibenden Drittel des Altmarkts hatte die Polizei mit schweren Gittern ein Areal für Kundgebungen abgesperrt. Der Kontrast zwischen den Gruppen, die sich hier einfanden, konnte kaum größer sein und zeigte einmal mehr, wie die Einordnung der damaligen Zerstörung der Innenstadt nach wie vor spaltet. Am Nachmittag stand hier der Verein »Denk mal fort«, der sich der demokratischen Erinnerungskultur widmet. »Hat nicht jeder Mensch, der gewaltsam umgekommen ist, ein Recht auf Erinnerung?«, fragte unter anderem Uljana Sieber, Leiterin der Stasi-Gedenkstätte Bautzener Straße. Knapp 100 Besucher applaudierten.

An der gleichen Stelle mussten sich am Abend etwa 200 AfD-Anhänger und ultrarechte Sympathisanten bei ihrem Missbrauch des Gedenkens regelrecht verbarrikadieren. Die Polizei zog einen doppelten Fahrzeugkordon um die Versammlung, etwa 900 Beamte waren im Einsatz. Von Reden war nichts zu hören, denn eine große Menge überwiegend junger Demonstranten machte ihrem Unmut über die Veranstaltung der rechten Partei mit Pfiffen, lauten Rufen und Musik Luft.

Bereits am Sonntag hatten rund 1000 teils angereiste Neonazis in Dresden von einer großen Überzahl von etwa 5000 nicht nur linken Gegendemonstranten empfangen worden. Das hatte in den Jahren bis 2009 noch anders ausgesehen. Damals waren bis zu 7000 Alt- und Neonazis aus ganz Europa zu »Trauermärschen« nach Dresden gepilgert. Es dauerte lange, bis sich in der schläfrigen, der Illusion eines »stillen Gedenkens« anhängenden Stadt mit auswärtiger Hilfe Widerstand formierte.

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Die seit 1990 wahrnehmbare Konkurrenz bei der Deutung des Gedenktags zeichnete sich aber auch in diesem Jahr schon bei der traditionellen Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof ab. Auch Kränze der AfD und aus Thüringen angereister rechter Kreise lagen dort. Diese pflegen nach wie vor die Legende einer unschuldigen, nur der Schönheit geweihten Stadt, die von Deutschlands Feinden willkürlich zerstört worden sei. Vereine wie »Denk mal fort« und offizielle Redner erinnern hingegen immer wieder an die nazideutsche Urheberschaft nicht nur des Zweiten Weltkrieges, sondern auch des Bombenterrors in europäischen Städten wie Guernica, Coventry und Rotterdam.

Wegen des derzeit besorgniserregenden Erstarkens der AfD insbesondere in Sachsen fielen Ansprachen in diesem Jahr dringlicher aus als sonst. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) wirkte nicht routiniert, als er eine Linie von 1932/33 in die Gegenwart zog. »Der Terror der Nazis war kein Zufallsprodukt«, mahnte er. »Der Nationalsozialismus wurde bei freien und demokratischen Wahlen von einem großen Teil der Bevölkerung eingeladen, zur stärksten politischen Kraft zu werden.« Die Demokratie als Staatsform könne allein Diktaturen und Unrechtsregime nicht verhindern, sagte Hilbert. Die Menschenkette, die man nun unter dem Motto »Gemeinsam wachsam« bilden wolle, schließe sich um die Innenstadt, damit die Erinnerung an die Opfer der Naziherrschaft und des Krieges nicht umgedeutet werde. »Wir stehen hier, weil es immer mehr politische Extremisten in unserem Land gibt, die unsere demokratische Verfassung infrage stellen.«

»Nie wieder ist jetzt«, zitierte auch Ursula Staudinger, Rektorin der traditionell die Versammlung anmeldenden Universität, einen aktuellen Demospruch. Etwa 13 000 Bürger folgten dem Aufruf zur Bildung einer Menschenkette, in die sich auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), die britische Botschafterin Jill Gallard und eine Delegation aus Coventry einreihten. Coventry ist langjährige Partnerstadt Dresdens, und bei den jährlichen Veranstaltungen zum Jahrestag der Zerstörung der Elbmetropole wird auch der Opfer der Bombardierung der englischen Großstadt durch die deutsche Luftwaffe 1940/41 gedacht.

Friedlich war es zuvor auch beim Liedersingen von etwa 300 Dresdnerinnen und Dresdnern vor dem Kulturpalast. Wie ein Fremdkörper wirkte dagegen Marcus Fuchs, in der Stadt bekannt als Anmelder von »Querdenken«-Demos, der mit 50 Anhängern vor der Frauenkirche stand, wo still der Toten gedacht wurde. Geschmacklos wirkte allerdings auch die vom Verwaltungsgericht schließlich erlaubte satirische »Operation Trümmerfetisch« von »Die Partei«, die mittels Knallkörpern und Sirenentönen ein »Entnazifizierungsbombardement« inszenierte.

So klar die Mehrheiten auch waren, zeigte doch dieser 79. Zerstörungsgedenktag erneut nicht nur divergierende Positionen. Auch das Fehlen eines zentralen, integrativen Gedenkortes machte sich bemerkbar. Weder der Heidefriedhof noch die Busmannkapelle der zerstörten Sophienkirche geschweige denn der charakterlose Altmarkt ist als solcher geeignet.

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