Hungerstreik in der JVA Tegel: Schikaniert weil linksradikal?

Andreas Krebs isst seit 17 Tagen nicht mehr, um gegen die Haftbedingungen in der JVA Tegel zu protestieren

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit 17 Tagen isst Andreas Krebs nicht mehr. Mit einem Hungerstreik protestiert er gegen die Haftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel. »Ich bin ziemlich angeschlagen«, erzählt Krebs im Telefongespräch mit »nd«. »Aber ich sehe es als einziges Druckmittel.«

Krebs sitzt seit Juli 2023 in der JVA Tegel. Was er dort erlebt, bezeichnet er als Schikane. Ihm werde der Zugang zu linken Magazinen und Büchern verweigert, sagt er. Anträge würden nicht bearbeitet oder mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt. »Es ist eine bodenlose Frechheit«, ärgert sich Krebs.

Dass er links ist, daraus macht Krebs keinen Hehl. In Freiheit hat er für mehrere Jahre in dem linksradikalen Hausprojekt in der Rigaer Straße 94 gewohnt, im Gefängnis protestiert er nicht zum ersten Mal. Er vermutet, dass er wegen seiner politischen Einstellungen schlechter behandelt wird. Mittlerweile habe die Anstaltsleitung ihm zwar zugestanden, die »Rote Hilfe Zeitung« zu erhalten, die über staatliche Repression gegen Linksradikale berichtet – allerdings nur mit strengen Auflagen: »Ich darf sie keinem Gefangenen geben, nicht einmal zeigen, sie darf meinen Haftraum nicht verlassen.« Und trotz Zusage habe er die Zeitung bisher nicht bekommen.

Was »Gefangenen-Info« betrifft, behält sich das Gefängnis laut Krebs vor, das Heft vor Herausgabe zu zensieren. Das Magazin schreibt über die Kämpfe politischer Gefangener, es entstand nach dem Hungerstreik der Inhaftierten der RAF im Februar 1989. Krebs vermutet, dass die Verantwortlichen derartige Lektüre für gefährlich halten. »Ich habe auch gewisse Bücher zur Geschichte der RAF, da sträuben sich bei denen die Haare und mir werden Probleme gemacht.«

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Krebs geht davon aus, dass es gerade unter den Gefängnisbeschäftigten einen hohen Anteil Rechter gebe. Dass seine politischen Ansichten zu Ungleichbehandlung führen, zeigt sich an einem weiteren Beispiel, von dem Krebs erzählt: So habe er kürzlich eine Bastel- und Malgenehmigung beantragt, um Utensilien wie Ölfarben und Pinsel zu erhalten. »Der Antrag wurde direkt am nächsten Tag abgelehnt mit der Begründung, ich könnte linksextremistische Motive malen. Ich bin jetzt wahrscheinlich der einzige Gefangene in Tegel, der nicht malen darf.«

Krebs geht es nicht nur um seine eigenen Rechte, er möchte auf allgemeine Missstände in der JVA Tegel aufmerksam machen. Er erzählt etwa von willkürlicher Regeldurchsetzung – in seinem Haus sei es erlaubt, Essen und Trinken zur Arbeit innerhalb des Gefängnisses mitzunehmen, in anderen Abteilungen dürften die Insassen das nicht. Außerdem kritisiert er die Besuchsregeln: Drei Tage pro Woche sei der Besuchsraum geschlossen und Besucher*innen würden abgewiesen, wenn der Inhaftierte gerade in der Arbeit sei. »Angehörige werden hier doppelt und dreifach mitbestraft«, kritisiert er.

»Die Gefangenen wenden sich an mich, sie wissen um meine Öffentlichkeitsarbeit«, erzählt Krebs. Er hofft auf einen konstruktiven Austausch mit der Anstaltsleitung und deren Bereitschaft, Probleme tatsächlich anzugehen. »Wir wissen alle, dass das hier kein Hotel ist und wir hier sind, um unsere Strafen zu verbüßen. Aber wenn wir uns an Regeln halten müssen, dann müssen das die Herrschaften auch.« Seinen Hungerstreik will er so lange fortsetzen, bis die Gefänignisleitung ihre Versprechen auch tatsächlich einlöst. Ein hoher Einsatz für Krebs: Er hat eine Krebserkrankung hinter sich und leidet unter starken Nierenproblemen.

Zudem wird er wohl noch einige Jahre in Haft ausharren müssen. Denn italienische Gerichte verurteilten ihn wegen Mordes zu 24 Jahren. Wegen »vermeintlichen Mordes«, betont Krebs, denn seiner Ansicht handelt es sich um Totschlag. Er brachte im Streit seinen Chef um, einen Tankstellenbesitzer. Zuerst musste er nicht in Haft, sondern in Hausarrest in einem italienischen Dorf. Doch dessen Bewohner*innen machten gegen ihn Stimmung und bedrohten ihn. Deshalb tauchte er unter, bis er 2017 in Deutschland gefasst, nach Italien ausgeliefert und verurteilt wurde. Wegen seines gesundheitlichen Zustandes konnte er 2023 in deutsche Haft wechseln.

Die Senatsjustizverwaltung bestätigte den Hungerstreik vergangene Woche der »Taz«. Im Rahmen einer Haftraumrevision seien Zeitungen und Druckschriften mit Bezügen »zur linksextremistischen Szene« entnommen worden. Nun laufe eine Prüfung, ob die Publikationen einer Wiedereingliederung von Krebs entgegenstünden. Eine aktuelle nd-Anfrage konnte die Verwaltung nicht vor Redaktionsschluss beantworten.

Für Samstag 15.30 Uhr ist eine Demonstration in Form eines Knastrundgangs um die JVA Tegel in Solidarität mit Andreas Krebs geplant.

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