Polen als Vorbild für Ungarn?

Die Demontage des autoritären PiS-Regimes könnte ein gutes Beispiel für Ungarn sein, meint Árpád W. Tóta

  • Árpád W. Tóta
  • Lesedauer: 3 Min.

In Polen kann man beobachten, wie ein gestürztes Regime versucht, sich zu verteidigen. Loyalität, Zusammengehörigkeit und das gemeinsame Trauma einer Niederlage treiben die PiS-Anhänger noch auf die Straße. Dennoch ist Polen dabei, das PiS-System zu entsorgen: Kriminelle werden verhaftet, Hofdichter entlassen, Privilegien abgeschafft und dadurch erworbene Vermögenswerte beschlagnahmt.

In Warschau »grassiert der Terror« – berichtet die regierungsnahe ungarische Presse ihren Lesern. Nun ja, das passiert eben, wenn die Linke gewinnt (die in Polen eigentlich die Rechte ist, aber sei’s drum). Die Propagandisten der PiS-Regierung, die tagein, tagaus gelogen hatten, wurden nach dem Regierungswechsel aus den öffentlichen Medien verbannt. Niemand kann sich vorstellen, wie so etwas in Ungarn ablaufen würde. Man sah, wie die von den PiS-Wählern jetzt beweinten öffentlichen Medien arbeiteten: mit skrupellos manipulierten Nachrichten, Schmutzkampagnen, der Vergötterung der Regierung und dem Fehlen jeglicher Regeln.

Vor einiger Zeit wurden zwei Mitglieder der inzwischen abgewählten polnischen Kaczynski-Regierung wegen Amtsmissbrauch und Dokumentenfälschung rechtskräftig verurteilt. Die Beweise für die Straftaten waren eindeutig. Die Täter wurden vom Staatspräsidenten Andrzej Duda – selbst Mitglied der vormaligen Regierungspartei PiS – dennoch begnadigt. Nach dem Machtwechsel wurden die Begnadigten wieder inhaftiert. Und dann wieder begnadigt.

Árpád W. Tóta

Árpád W. Tóta ist bekannter Publizist in Ungarn. Er ist mit dem Josef Pulitzer Gedächtnispreis ausgezeichnet worden.

Im Gegensatz zur Orbáns ungarischer Regierungspartei Fidesz ergatterte Kaczynski mit seiner PiS in Polen weder Unternehmen noch Paläste von Gutsherren. Und die Möglichkeiten für die Regierung, sich Einfluss an Universitäten zu verschaffen sowie öffentliche Gelder unter den Nagel zu reißen, waren in Polen nicht ganz so groß wie in Ungarn. Dennoch war die PiS nicht frei von Korruption, siehe zum Beispiel die für Nicht-EU-Bürger gegen Geld ausgestellten EU-Visa oder die Manipulationen bei öffentlichen Beschaffungen. Die Ermittlungen in der katholischen Kirche Polens wegen schwerer Fälle sexuellen Missbrauchs hatten bereits während der PiS-Regierung begonnen. Aber Urteile? Fehlanzeige!

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Der fortschreitende Machtverlust wird den Protest der gescheiterten polnischen Regierungspartei noch erbitterter werden lassen. Sie demonstrieren, sie toben und versuchen, ihre Anhänger zusammenzuhalten. Diese erwarten Hysterie – und die Wähler des neuen Regierungschefs Tusk hören sich die Schimpftiraden gelassen an. Insbesondere Frauen und Jugendliche haben jahrelang unter den muffigen, zynischen Manipulatoren der PiS gelitten. Und für diese Leute sollten sie jetzt ein Herz haben?

Polnische Populisten hatten indessen nie so viel Macht wie die Fidesz-Partei in Ungarn. Das machte ihre Abwahl möglich. In Ungarn sind die Verbrechen des illiberalen Regimes seit 2010 schwerwiegender und spektakulärer. Die nachgewiesenen milliardenschweren Korruptionsfälle betreffen nicht nur irgendwelche Staatssekretäre, sondern auch die Familie Orbán direkt. In Ungarn wird eine Wende daher nicht so ablaufen – es wird schmerzhafter. Und es ist noch ein weiter Weg. Doch jede Unterschlagung, jeder Wirtschaftsskandal, jeder weitere Fall von Korruption kann den Tag der Abrechnung näherbringen. Kein angenehmer Gedanke für die Herrschenden.

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