Verkehrsunfälle in Berlin: Normalzustand steigender Zahlen

Immer mehr Verkehrsunfälle, Todesopfer vor allem mit Rad und zu Fuß unterwegs

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Polizei hat 2023 insgesamt 134 136 Verkehrsunfälle in Berlin gezählt. Dabei gab es 2073 Schwerverletzte, 33 Menschen sind umgekommen. Von den Todesopfern waren zwei Drittel per Rad oder zu Fuß unterwegs, die Hälfte über 64 Jahre alt. Die Zahlen stammen aus der am Montag veröffentlichten Bilanz zur Verkehrssicherheitslage in Berlin für das vergangene Jahr.

Die Unfallzahlen zeigten eine Rückkehr zur Normalität vor Corona, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Seit 2006 gab es jedes Jahr mehr Unfälle – dieser Trend setzt sich nach einer Unterbrechung im Corona-Jahr 2020 weiter fort.

Besonders auf dem Tempelhofer Damm, am Schlesischen Tor und auf der Sonnenallee kracht es oft, hier wurden bis zu 337 Unfälle verzeichnet. Wer mit Rad oder zu Fuß unterwegs ist, läuft besonders an der Warschauer Straße Gefahr, in einen Unfall verwickelt zu werden. Dabei sind weder Radfahrer*innen noch Fußgänger*innen mehrheitlich Haupt- oder Mitverursacher der Unfälle, können also selbst vergleichsweise weniger für ihre eigene Sicherheit tun. Die zwei Hauptursachen für Unfälle aller Verkehrsteilnehmenden sind Fehler beim Abbiegen und Nichtbeachten der Vorfahrt.

»Wer mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs ist, hat nicht genug Schutzraum«, sagt Andreas Knie, Verkehrsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und der Technischen Universität Berlin. Es sei eine langsame Verschiebung der Verkehrsnutzung zu beobachten: Laut Zahlen der Senatsverwaltung hat sich der Radverkehr in Berlin von Mitte der 90er Jahre bis 2016 verdoppelt, seitdem bis 2022 noch einmal um 17 Prozent erhöht.

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»Die Autofahrer sind nicht sensibilisiert, die Ampelschaltung nicht optimiert«, sagt Knie. Die meisten Opfer gebe es beim Rechtsabbiegen, bei den jetzigen Ampelschaltungen seien Unfälle vorprogrammiert. Radfahrende müssten geradeaus länger Grün haben – jeder Senat habe bis jetzt aber den Verkehrsfluss der Sicherheit vorgezogen.

Roland Stimpel, Sprecher des Fußgängerverbandes Fuß e. V., sorgt sich vor allem um die vielen Senioren unter den Verkehrstoten: »Man muss den Verkehr den Menschen anpassen, nicht andersherum.« Für die Sicherheit von älteren Menschen sei Skandinavien ein Vorbild. In Helsinki habe es zuletzt Jahre mit null Verkehrstoten zu Fuß oder Rad gegeben – in einer Stadt mit vielen Tempo-30- und -40-Zonen.

Karl Grünberg, Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs Berlin (ADFC), bemerkt eine Diskrepanz zwischen den Zahlen der Polizei und den vom ADFC erfassten. 2023 habe man 14 statt 12 im Verkehr getötete Radfahrende registriert. Auch Fälle mit späterer Todesfolge müssten gezählt werden, sagt der Sprecher.

Um Radfahrende zu schützen, fordert Grünberg einen für Lkw verpflichtenden Abbiegeassistenten mit Notfallstopp, auch für bereits zugelassene Fahrzeuge. Um sie sichtbarer zu machen und gegen abbiegende Fahrzeuge abzusichern, seien besonders auf Hauptverkehrsstraßen geschützte Radwege nötig. Generell müsse man auf eine »fehlerverzeihende Radverkehrsstruktur« hinarbeiten, in der etwa Radwege breiter sind und Radfahrende bei einem Schlenker nicht sofort in den Autoverkehr geraten.

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