Simon Rolfes: »Xabi Alonso weiß, was er an Bayer Leverkusen hat«

Bayers Sportchef erklärt, was den Erfolgstrainer auszeichnet, wie gute Transferpolitik funktioniert und warum diese Saison schon jetzt ein Erfolg ist

  • Interview: Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Trainer Xabi Alonso (M.) und seine Leverkusener Fußballer stürmen mit dem Bundesligarekord von 33 ungeschlagenen Spielen Richtung Titel.
Trainer Xabi Alonso (M.) und seine Leverkusener Fußballer stürmen mit dem Bundesligarekord von 33 ungeschlagenen Spielen Richtung Titel.

Sie sind Baumeister einer Mannschaft, die gerade Fußball-Deutschland begeistert und vor dem Rheinderby am Sonntag beim 1. FC Köln seit 33 Pflichtspielen ungeschlagen ist.

Es freut mich wirklich, dass wir nicht nur lokal die Menschen mitnehmen, sondern auch neutrale Zuschauer uns gerne sehen. Wir spielen mit einem guten Spirit, das spricht die Leute offensichtlich an.

Ihr Kader kommt fast wie ein Kunstwerk daher. Hätten Sie vor der Saison gedacht, dass alles so gut zusammenpasst?

Genau weiß man das nie. Wir haben das im Jahr davor auch anders erlebt. Wir waren von vielem überzeugt, aber wie sich ein Team dann zusammenfindet – über Technik und Taktik hinaus –, hängt auch davon ab, wie die Menschen in der Gruppe einander schätzen. Das ist das Spannende in jedem Sommer, wie sich diesbezüglich der Kader mit dem Trainer entwickelt.

Interview
09.02.2024, Fussball, Saison 2023/2024, 1. Bundesliga, 21. Spiel...

Der 42-jährige Simon Rolfes war 26-maliger Nationalspieler und von 2005 bis 2015 für Bayer Leverkusen aktiv. Nach der Fußballkarriere stieg er mit seiner Firma Vieww als Anbieter in die Torlinien- und Videoschiedsrichtertechnologie ein. 2018 kehrte er als Sportdirektor zu Bayer zurück, 2022 wurde er Nachfolger von Geschäftsführer Rudi Völler.

Kaderplanung ist eine komplexe Angelegenheit. Die Zeiten, in denen Scouts allein durch die Welt reisten, sind vorbei. Mittlerweile sind Software, Datenanalyse und Videos wichtiger geworden, oder?

Scouts werden heutzutage anders eingesetzt als früher. Da fragt sich keiner mehr vor Ort durch, um einen Fußballer zu finden, der vielleicht auch noch was kann. Alle drei Komponenten – Scouting, Datenanalyse, Videostudium – sind wichtig. Aber wir haben mit Piero Hincapie auch schon einen Spieler verpflichtet, den ich selbst nicht live, sondern nur per Video beobachten konnte, weil wir eine schnelle Entscheidung treffen mussten, bevor ich noch nach Südamerika fliegen konnte.

Der Einfluss der Berater ist vermutlich nicht kleiner geworden.

Ich glaube, dass mehr Vereine beim Scouting professioneller aufgestellt sind und daher proaktiver agieren – deswegen ist der Einfluss der Berater aus meiner Sicht zumindest nicht viel größer geworden. Wir schauen uns erst in einem Markt den Spieler an und kontaktieren dann den Berater.

Können Sie am Beispiel von Königstransfer Granit Xhaka einmal erklären, wie so etwas abläuft?

Ihn haben Sportchef und Cheftrainer schon auf dem Platz auskundschaftet, weil wir selbst noch gegen ihn gespielt haben: Das ist die vierte Komponente bei der Kaderplanung (lacht). Spaß beiseite: Wir hatten über viele Jahre Charles Aranguiz als Anker in unserem Spiel. Wir wollten als Nachfolger auf dieser Position eine besondere Persönlichkeit. Für dieses Profil die notwendige Qualität mitzubringen – dafür kommen dann nicht so viele infrage. Granit war für uns die Topoption. Deswegen haben wir uns so früh um ihn bemüht.

Und er war sofort bereit, in die Bundesliga zurückzukehren?

Hätte er gesagt, er möchte in London bleiben, wäre es nicht gegangen. Aber sein positives Signal hatten wir im Februar. Danach war es ein langer Kampf mit Arsenal, doch Granit hatte sich dort auch in schwierigen Zeiten immer korrekt verhalten. Das hat den Transfer im Juli dann ermöglicht.

Und wie bekommt man ein Juwel wie Alejandro Grimaldo?

Indem man es davon überzeugt, dass der Fußball, den wir spielen, noch besser zu ihm passt. Er war ja auch bei Benfica Lissabon ein guter Spieler, wollte aber etwas Neues machen. Das konnten wir ihm auf hohem Niveau anbieten. Ein Vorteil war auch, mit Xabi Alonso einen spanischsprachigen Trainer zu haben, der bei dem Spieler höchstes Ansehen genießt.

Sie haben gesagt, dass der Trainer auch Sie überrasche. Spricht er eine Entscheidung nicht mit Ihnen ab, wie vor dem Jahreswechsel beim Heimspiel gegen den VfL Bochum, die Afrika-Cup-Fahrer nicht aufzustellen?

Ganz klar: Über die Aufstellung entscheidet der Trainer allein. Wenn er mit mir darüber reden möchte, sprechen wir auch mal über die Aufstellung. Aber das ist komplett sein Bereich, da hat er volle Rückendeckung.

Was macht Ihn so außergewöhnlich?

Es ist die Kompetenz. Wenn du als Trainer ein erfolgreicher Spieler warst, hast du die ersten vier Wochen einen Bonus. Der ist aber rasch aufgebraucht, denn die Spieler merken schnell: Kann er etwas in seinem neuen Job oder kann er es nicht? Diese Frage ist eindeutig beantwortet. Darüber hinaus baut Xabi eine gute Verbindung zu seinen Spielern auf.

Wie wird in der Kabine kommuniziert?

Alles, was die Ansprache auf dem Platz oder in der Kabine betrifft, erfolgt auf Englisch. Heutzutage wachsen die meisten Profis international auf und sind mit ihren sozialen Medien global vernetzt. Das ist als gemeinsame Basis kein Problem.

Ihr Erfolgstrainer wird ständig mit neuen Klubs für die nächste Saison in Verbindung gebracht.

Ich bin da weiterhin gelassen und optimistisch. Das Allerwichtigste ist doch bei Führungskräften, dass sie sich wohlfühlen und das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein. Xabi weiß, was er am Verein hat. Das hat er schon häufig gesagt.

Sie haben bei Amtsantritt gesagt, Leverkusen habe viel vor. War damit auch der Angriff auf die Meisterschaft gemeint?

Dass wir ein Topteam in der Bundesliga sein wollen, war die Zielrichtung.

War es 2002 dumm, sich den Begriff Vizekusen markenrechtlich schützen zu lassen? Was würden die Meisterschaft oder sogar weitere Titel im DFB-Pokal oder der Europa League verändern?

Ich war an dieser Entscheidung damals nicht beteiligt, genauso wenig alle anderen derzeitigen Handlungsträger. Deswegen beeinflusst uns das überhaupt nicht. Es ist doch klar, dass wir immer in allen Wettbewerben nach dem Maximum streben. Man spürt, dass wir auch in der Attraktivität ein neues Niveau erreichen. Das ist nicht mehr der Verein wie vor 20, 25 Jahren. Wir sind bei den Trikotverkäufen unter den Top Fünf der Bundesliga, sind in der BayArena immer ausverkauft, rufen bei Auswärtsspielen die Maximalzahl des Gästekontingents ab. Diese Saison hat noch einmal einen Boost gegeben. Wir haben schon jetzt viele Fans, darunter auch viele Kinder begeistert – das wird ein nachhaltiger Effekt bleiben.

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