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»Dune 2«: Pathos, Gewalt und Erlösung
In »Dune 2« inszeniert Denis Villeneuve Frank Herberts genreprägenden Roman als bombastischen Monumentalfilm
Denis Villeneuves »Dune 2«, die von unzähligen Fans herbeigesehnte Fortsetzung des oscarprämierten ersten Teils der galaktischen Space Opera, feiern die Feuilletons ab, als hätte der frankokanadische Regisseur die Science-Fiction neu erfunden. Dabei krankt dieses bildästhetisch opulente Werk mit grandioser Starbesetzung wie viele Blockbuster dieses Genres daran, dass es eben doch nur eine weitere Neuauflage eines schon in die Jahre gekommenen Stoffes ist. Die zeitgenössische Science-Fiction schafft es nur selten ins Kino.
Für die Filmindustrie ist bei Multimillionen-Dollar-Budgets die ökonomische Fallhöhe entscheidend. Erprobte Stoffe locken Zuschauer in die Kinos, weshalb auch schon »Blade Runner« oder »Total Recall« neu aufgelegt wurden und die soundsovielte »Star Wars«- oder »Star Trek«-Neuverfilmung ins Haus steht. Da »Dune 1« an den Kinokassen Erfolg hatte, war die Fortsetzung unumgänglich. Dabei galt Frank Herberts mehrbändiges Werk »Dune« als ebenso unverfilmbar wie die 20 Jahre zuvor veröffentlichte und ebenso genreprägende Space-Opera-Trilogie »Foundation« von Isaac Asimov, die gerade von Apple TV+ als aufwendige Streaming-Serie umgesetzt wird.
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Zum einen hat das natürlich mit einer deutlich besseren Tricktechnik zu tun, die voll zur Geltung kommt, wenn Paul Atreides (Timothée Chalamet) in »Dune 2« auf einem gigantischen Sandwurm stehend durch die Wüste von Arakis rast. Zum anderen nimmt sich Villeneuve für den ersten der insgesamt sechs Bände der »Dune«-Reihe mehr als fünf Stunden Zeit, was in etwa dem Umfang einer gängigen Mini-Serie entspricht. Bei Apple TV+ träumt man sogar von zehn Staffeln, also etwa 100 Stunden, zur Umsetzung von Asimovs Trilogie. Das lässt Raum, um komplexere Erzählstrukturen der Romanvorlage zu entwickeln, womöglich auch eigene Akzente zu setzen. Wirkte »Dune 1« schon fast wie die ausführlichere und filmtechnisch höherwertige, aber letztlich stoische Nacherzählung von David Lynchs 1984 finanziell komplett gefloppter »Dune«-Version, setzt Villeneuves »Dune 2« die in der Romanhandlung angelegten Konflikte dramaturgisch um, die bei Lynch gar nicht vorkommen. Das ist vor allem der innere Konflikt von Paul Atreides, der sich lange weigert, seine prophezeite Rolle als Erlöser zu akzeptieren und sie stattdessen als Teil einer religiösen Herrschaftsideologie anprangert.
Frank Herberts erster »Dune«-Roman erschien 1965 zu einer Zeit, als sich kulturelle Gegenbewegungen formierten und viele begierig waren nach einem gesellschaftlichen Narrativ jenseits rationaler Erklärungsmodelle. Deshalb stand bei vielen Hippies auch »Dune« gleich neben »Herr der Ringe« im Buchregal. Herberts Roman ist in einer postdigitalen Welt ohne KI und Roboter angesiedelt, die religiös geprägt ist und Machtpolitik als metaphysisches Ereignis inszeniert. Der heraufziehende Krieg feudalistischer Strukturen zwischen Harkonnen, Atreiden, dem Imperator und anderen Herrschaftshäusern in einem untergehenden Großreich erinnert stellenweise an »Game of Thrones«.
Vor allem ist »Dune 2« aber eine Erzählung über religiösen Fanatismus, der zwar oberflächlich kritisch reflektiert wird und dem die weibliche und wütende Heldin Chani (Zendaya) nicht auf den Leim geht, der aber im waffenstarrenden Geklirre der gezückten Schwerter und im Stakkato der abgefeuerten Laserwaffen untergeht. Der Action-Faktor in diesem Neomonumentalfilm, der nicht zu Unrecht viele an »Lawrence von Arabien« erinnert und auch in einer Reihe neuer derartiger Mega-Blockbuster wie »Oppenheimer« steht, ist gewaltig. Das überzeugt bildästhetisch als Genre-Kino, auch wegen des beeindruckenden Casts, von Florence Pugh als durchtriebene Imperatorentochter über Christopher Walken, der den miesen galaktischen Kaiser gibt, und Javier Bardem, der mit Schmerbauch die antihierarchischen tribalistischen Fremen durch die Wüste führt.
Denis Villeneuves »Dune«-Reihe soll fortgesetzt werden, was bei ökonomischem Erfolg von Teil 2 auch passieren dürfte. In einem Interview mit der »Times of London« beschwerte sich der Starregisseur kürzlich über ein derzeit zu dialoglastiges, vom Fernsehen korrumpiertes Kino. Bild und Ton wären die Mittel des Kinofilms, so Villeneuve. In seinen pathetischen »Dune«-Filmen ließe sich auf Dialoge auch fast verzichten.
Ein anderer wichtiger Science-Fiction-Regisseur unserer Tage, Alex Garland, macht stattdessen kammerspielartige und dialogreiche Filme wie »Ex Machina« oder »Auslöschung«. Wobei auch Garlands neuester, im April in die US-Kinos kommender actiongeladener Wurf »Civil War« als kritischer Beitrag zur US-Wahl und Fortschreibung der dystopischen Polit-SF wie »Bushwick« mit deutlich weniger Dialogen auskommen wird als sonst. Vielleicht ist das ja ein künstlerischer Trend unserer Zeit, der einem auch Angst machen könnte, weil er wie im Fall von »Dune 2« gesellschaftspolitische Entwicklungen als Unterhaltungskino eher reproduziert, als sie wirklich kritisch zu reflektieren: nämlich nicht rational auf Emanzipation, sondern emotional auf Action, Pathos, Gewalt und die Sehnsucht nach Erlösung setzt.
»Dune 2«, USA 2024. Regie: Denis Villeneuve; Buch: Denis Villeneuve, Jon Spaihts. Mit: Timothée Chalamet, Zendaya, Rebecca Ferguson, Austin Butler, Florence Pugh, Christopher Walken, Léa Seydoux, Stellan Skarsgård, Charlotte Rampling, Javier Bardem. 167 Min. Jetzt im Kino.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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