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Berliner Ausländerbehörde: Effizient, aber nicht erreichbar
Berliner Ausländerbehörde will Rückstände schnell abbauen und setzt auf vollständige Digitalisierung
Das Landesamt für Einwanderung entscheidet über existenzielle Fragen. Das stellt Jian Omar, migrationspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, gleich zu Beginn der Sitzung des Innenausschusses am Montagmorgen fest. »Für manche Menschen ist sie die wichtigste Behörde in ihrem Leben, sie entscheidet über Bleibeperspektive, über Abschiebung, über Arbeitserlaubnis oder Familienzusammenführung.«
Doch die Berliner Ausländerbehörde, kurz LEA, wird dieser Verantwortung nicht immer gerecht. Die Probleme sind seit langem bekannt, im Ausschuss fassen eingeladene Vertreter*innen von Geflüchtetenorganisationen die Situation noch einmal zusammen. Am Ende entsteht der Eindruck: Die überlastete Behörde muss sich zwischen Quantität und Qualität entscheiden – und derzeit steht Quantität, also die Bearbeitung aller angestauten Vorgänge, an erster Stelle.
Die Hauptprobleme stellen nach wie vor der Mangel an freien Terminen und die langen Wartezeiten dar. Sina Stach, Sprecherin des Berliner Flüchtlingsrats, gibt Beispiele von Geflüchteten, die allein in der vergangenen Woche Rat bei ihrer Organisation suchten: zum Beispiel ein Mann aus Afghanistan, dessen befristeter Aufenthaltstitel endete – und damit auch seine Arbeitserlaubnis. Weil er sich vergeblich um einen Termin zur Verlängerung bemühte, läuft er nun Gefahr, seinen eigentlich unbefristeten Job zu verlieren. »Diese Fälle zeigen, dass die Dysfunktionalität des LEA für viele Menschen eine wirklich große Bedrohung darstellt«, sagt Stach.
Doch in den Berichten wird auch klar: Ein zweites großes Problem liegt in den komplizierten und intransparenten Terminbuchungen, die derzeit ausschließlich online und schriftlich funktionieren. Sascha Aleksjuk von der Schwulenberatung erzählt, dass Geflüchtete, die nicht gut Deutsch oder Englisch sprächen, im Kontaktformular oft das falsche Referat auswählten. Rechtlich sollte das kein Problem sein, denn Anträge müssten innerhalb des LEA weitergeleitet werden. »Aber das passiert nicht, es kommt irgendwann nur die Rückmeldung, dass man per Kontaktformular das richtige Referat auswählen soll.« Fortschritte in der Antragsbearbeitung ließen sich nicht nachvollziehen, Kriterien für Notfallanträge blieben undefiniert. Das führt laut Petra Schwaiger von der Diakonie Berlin-Brandenburg wiederum zu einer Mehrbelastung der Behörde: »Menschen versuchen dann aus der Verzweiflung heraus, sich über alle Kanäle an das LEA zu wenden.«
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Engelhard Matzanke, Leiter des LEA, versucht gar nicht, diese Probleme zu leugnen. Er betont jedoch, dass alle Ausländerbehörden in Deutschland mit denselben Herausforderungen zu kämpfen hätten: Brexit, Pandemie, Ukraine-Krieg, Erdbeben in der Türkei und Syrien sowie ein immer komplexer werdendes Migrationsrecht. Im Vergleich zu anderen Bundesländern stehe seine Behörde immer noch gut da, sagt Matzanke. Immerhin hätten seine Mitarbeitenden 2022 rund 50 Prozent mehr aufenthaltsrechtliche Bescheide erteilt als noch 2019. Die Zahl der Abschiebungen stieg ebenfalls um rund 50 Prozent.
Helfen soll Digitalisierung. Als mittelfristige Maßnahme plant das LEA, bei der Online-Terminbuchung auf ein moderneres Programm umzusteigen. Ab August soll sich dann ein Termin nur noch nach einer Zwei-Faktoren-Authentifizierung buchen lassen, um dem Geschäft mit Terminen, die vorgebucht und dann verkauft werden, einen Riegel vorzuschieben. Vergangenen Herbst war ein derartiger Terminmarkt bekannt geworden (»nd« berichtete).
Kürzere Wartezeiten und mehr freie Termine entstehen dadurch erst einmal nicht. Eine größere Bedeutung schreibt Matzanke deshalb der elektronischen Akte zu. Im Bereich der Einbürgerungen gibt es bereits keine Papierakten mehr, außerdem würde dort mit dem Wegfall der einst verpflichtenden Beratungsgespräche viel Zeit gespart. Bis Ende 2025 soll das gesamte LEA nur noch mit E-Akten arbeiten, so das erklärte Ziel Matzankes und der Innenverwaltung. »Dann werden wir nur noch Termine vergeben, wenn Kunden die Akten vorher digital eingereicht haben.«
Dass sich auf diese Weise Zeit und Ressourcen sparen lassen, liegt auf der Hand. Doch das Kommunikationsproblem löst sich dadurch nicht. Im Gegenteil: Stach befürchtet, dass so mehr Menschen auf der Strecke bleiben. »Das System ist alles andere als barrierearm, manche haben keinen Internetzugang, nicht das notwendige Know-How oder sind nicht alphabetisiert.« Flüchtlingsrat, Diakonie und Schwulenberatung fordern deshalb eine Anlaufstelle im LEA, wo Menschen einen Termin buchen und sich informieren können. Diese Möglichkeit gibt es seit der Corona-Pandemie nicht mehr. Außerdem wäre eine unabhängige Ombudsstelle nötig, die Beschwerden entgegennimmt und bearbeitet – zurzeit kümmert sich Matzanke selbst um Notfälle, eine ehemals dafür eingerichtete Abteilung wurde aufgelöst und die Mitarbeitenden in der Einbürgerungsstelle eingesetzt.
Für Matzanke gibt es nur ein oberstes Ziel: Rückstände abbauen. »Dafür brauchen wir Zeit.« Ob persönliche Beratung, Ombudsstelle oder eine externe Qualitätskontrolle, wie von der Linksfraktion gefordert – »da können wir 2025 drüber reden«. Jetzt gehe es darum, den Output zu steigern. Sina Stach sieht diese Effizienzsteigerung skeptisch: »Sie lagern ganz viel Arbeit an Beratungsstellen und Sozialarbeiter*innen aus, die komplett überlastet sind.«
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