Super Tuesday: Viel Show, wenig Spannung

Die Sieger bei den US-Vorwahlen stehen bereits vor dem Super Tuesday fest

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 5 Min.

Am Super Tuesday (Super-Dienstag) fällt üblicherweise die Vorentscheidung bei US-Präsidentschaftsvorwahlen: Eine zweistellige Anzahl an Bundesstaaten, in denen etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt, hält die parteiinternen Abstimmungen Ende Februar oder Anfang März gemeinsam ab. Danach ist meist klar, welche Kontrahenten im November aufeinander treffen werden. Doch diesmal ist die Frage für diese Wahlsaison eigentlich schon geklärt, wenn am Dienstag die Stimmauszählung beginnt.

Zu keinem Zeitpunkt während des bisherigen Vorwahlkampfs gab es ernsthafte Zweifel daran, dass Joe Biden und Donald Trump die Abstimmungen bei ihren Parteien haushoch gewinnen würden. Die dominierenden Lager in den beiden Parteien – die liberalen Zentristen bei den Demokraten, die isolationistischen Nationalkonservativen bei den Republikanern – konnten ihre Kandidaten mühelos durchdrücken, was Rückschlüsse auf die innerparteilichen Kräfteverhältnisse zulässt.

Nach der ersten Vorwahl im Januar in Iowa bleibt von Trumps Mitbewerbern bei den Republikanern nur noch Nikki Haley als ernstzunehmende Konkurrentin übrig. Sie steht dem ehemaligen Parteiestablishment um den Fraktionsvorsitzenden im Senat, Mitch McConnell, nahe. Doch weder in New Hampshire an der Nordostküste noch in ihrem Heimatstaat South Carolina konnte sie sich gegen Trump durchsetzen. Am Montag gewann sie schließlich die Hauptstadt Washington D.C. – sie ist und bleibt die Kandidatin der politischen Insider. Ein Sieg von Haley am Dienstag in auch nur einem einzigen Bundesstaat wäre eine Überraschung.

McConnell hat inzwischen seinen Rückzug aus der Politik bis zum Jahresende bekannt gegeben – was als weiterer Bedeutungsverlust für die alte Parteigarde interpretiert werden darf. Haley selbst hat noch nicht kapituliert und gibt sich vor dem Super Tuesday weiter kämpferisch. Ob sie noch an den Sieg glaubt, darf bezweifelt werden. Eher dürfte sie sich Chancen auf eine Vizepräsidentschaftskandidatur ausrechnen – obwohl sie sicherlich nicht Trumps favorisierte Kandidatin ist. Mit einer Nominierung von Haley würde Trump dem neoliberalen Parteiflügel die Hand ausstrecken – doch diese Geste gehört nicht zum Standardrepertoire des Ex-Präsidenten.

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Das bisher interessanteste Ergebnis bei den Demokraten kam am vergangenen Dienstag aus dem Bundesstaat Michigan: Dort hatten über 100 000 Wahlberechtigte – 13,2 Prozent – statt Biden die Option »Unentschieden« auf dem Wahlzettel angekreuzt. Eine Kampagne in dem Bundesstaat, in dem besonders viele arabischstämmige US-Amerikaner leben, hatte dazu aufgerufen, um gegen Bidens Nahost-Politik ein Zeichen zu setzen. Etliche Politikerinnen auf Bundesstaatenebene, aber auch die Kongressabgeordnete Rashida Tlaib, die das israelische Vorgehen im Gazastreifen seit Monaten verurteilt und einen Waffenstillstand fordert, hatten das Anliegen unterstützt.

Trotz des deutlichen Siegs für Biden reagierte das Parteiestablishment der Demokraten pikiert. Michigan ist ein wichtiger Swing State, 100 000 Stimmen könnten Biden im November hier die Präsidentschaft kosten. Gouverneurin Gretchen Whitmer erklärte, jede Stimme gegen Biden sei eine »Stimme für eine zweite Amtszeit für Donald Trump«.

Das Weiße Haus ist dennoch bemüht, zumindest den Anschein zu erwecken, als gehe man zu Israel auf Distanz. Nicht nur in Michigan stehen viele junge Wählerinnen und Wähler dem Kriegseinsatz der israelischen Armee im Gazastreifen inzwischen ausgesprochen kritisch oder zumindest skeptisch gegenüber. Am Montag sprach sich US-Vizepräsidentin Kamala Harris in Selma, Alabama – einem historischen Ort des Widerstands für die US-Bürgerrechtsbewegung – unerwartet für einen sofortigen Waffenstillstand in dem Konflikt aus. »Die Leute in Gaza verhungern, die Bedingungen sind unmenschlich und unsere Menschlichkeit zwingt uns zum Handeln«, so Harris.

Doch auch bei dieser Äußerung stellt sich – wie bei den bisherigen rhetorischen Interventionen aus dem Weißen Haus – die Frage, ob sich diese Worte an Netanjahu oder an das heimische Publikum richten. Materieller Druck, der Israel zu einem Einlenken bewegen könnte, ist aus Washington nämlich bisher nicht erkennbar. Im Gegenteil: Weitere Waffenlieferungen an das Land gehören zu den wichtigsten Prioritäten den Demokraten im Kongress.

Das Thema Nahost-Konflikt ist aber nur eines von vielen, bei denen die Unzufriedenheit mit dem demokratischen Amtsinhaber überwiegt – auch in Michigan. Obwohl die Reallöhne inzwischen wieder stärker steigen als die Preise und die USA einen Beschäftigungsrekord nach dem anderen vermelden, treibt die Inflation die Menschen weiter um: Die Lohnentwicklung vollzieht sich erst im Nachgang und geschieht nicht automatisch. Die Preise steigen hingegen für alle. Zudem belasten die Zinserhöhungen der Zentralbank private Kredite.

Zwar wurde unter Biden in den letzten Wochen eine weitere Tranche Studienkredite vergeben, doch bleiben die finanziellen Belastungen durch Wohnen, Gesundheit und universitäre Bildung für durchschnittliche Familien enorm. Von einer ambitionierten Reformagenda ist bei den Demokraten allerdings nichts mehr zu hören: Die Initiativen für eine gesetzliche Krankenversicherung der Jahre 2015 bis 2020 scheinen vergessen. Stattdessen beherrscht Trump mit seiner Hetze gegen Einwanderinnen und Einwanderer den Wahlkampf.

Bevor sich die Wählerinnen und Wähler an diesem Dienstag an die Urnen begeben, richteten sich am Montag die Blicke auf den Obersten Gerichtshof. In mehreren Bundesstaaten war Ex-Präsident Trump erstinstanzlich durch Gerichte oder durch Ministerialdekrete von den Vorwahlen ausgeschlossen worden. Die Begründung: Mit seinem Verhalten beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 habe er sich des Aufruhrs gegen die Vereinigten Staaten schuldig gemacht, was ihn laut Verfassung vom Amt disqualifiziere. Eine Entscheidung der höchsten Richterinnen und Richter, ob dies zulässig war, stehe kurz bevor, hieß es.

Ob das Gericht dieser Argumentation folgt, ist fraglich. Erstens wird das Präsidentenamt im entsprechenden Passus nicht explizit erwähnt, zweitens mangelt es bisher an einer entsprechenden rechtskräftigen Verurteilung Trumps. Eine Verfassungskrise bleibt den USA wohl vorerst erspart.

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