Sachsens Linke: Ohne Löwengebrüll für die arbeitenden Menschen

Landespartei legt Wahlprogramm vor und will sich mit Sozial- und Industriepolitik gegen Populismus behaupten

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zahlen sind durchaus eindrucksvoll. 280 Anträge hat die Linksfraktion mit ihren 14 Abgeordneten seit der vorigen Landtagswahl im sächsischen Landtag gestellt, dazu 4600 kleine und 17 große parlamentarische Anfragen. Außerdem schrieb sie 25 Gesetzentwürfe. Auch habe man wichtige Debatten angestoßen, sagt Susanne Schaper, die Ko-Landesvorsitzende der Partei: zu Mieten, Sozialwohnungen, einem Reparaturbonus. »Ohne eine Linke im Freistaat Sachsen«, sagt sie, »sähe es dünner aus.«

Der Satz ist mehr als eine bloße Feststellung, er wirkt wie ein Appell. Dass die Partei im Landtag nicht mehr vertreten sein könnte, schien bisher undenkbar. Zu besten Zeiten vor zwei Jahrzehnten erreichte ihre Vorgängerin PDS 23,6 Prozent. Zuletzt fielen die Ergebnisse bescheidener aus; 2019 reichte es mit 10,4 Prozent knapp für ein zweistelliges Ergebnis.

Die Linke stellt aber immer noch die drittstärkste von fünf Fraktionen. Dass ihre parlamentarische Existenz bedroht sein könnte, vermochte sich kaum jemand vorzustellen – bis zu einer Umfrage Ende Januar, die CDU und AfD bei 30 und 35 Prozent sah, das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei acht, Grüne und SPD bei sieben, Die Linke allerdings bei nur vier Prozent. Erstmals überhaupt sackte diese damit unter die Fünf-Prozent-Hürde.

Der Abwärtsspirale stemmt sie sich jetzt entgegen: mit einem Wahlprogramm, das sich um Fragen der Arbeitswelt und der sozialen Daseinsvorsorge, um Bildung und gesellschaftlichen Zusammenhalt dreht und zudem Augenmerk auf »Querschnittsthemen« wie die Entwicklung in Ostdeutschland, die Kluft zwischen Stadt und Land sowie Fragen der Gleichstellung legt.

Mit dem Papier, das vorerst 65 Seiten umfasst und bis zur Verabschiedung auf einem Parteitag im April noch um eine Präambel und zusammenfassende Abschnitte ergänzt werden soll, wolle man sich als Interessenvertretung der arbeitenden Menschen präsentieren, sagt Stefan Hartmann und fügt an, das Programm sei »eigentlich 25 bis 29 Prozent wert«. Er steht der Landespartei seit 2019 zusammen mit Schaper vor und führt sie jetzt gemeinsam mit ihr auch in den Wahlkampf.

Im Mittelpunkt des Programms stehe der »soziale Markenkern« der Partei, betonen die Landesvorsitzenden. Die gelernte Krankenschwester Schaper verweist auf die schwierige Lage vieler Krankenhäuser: »Das wird eines unserer Kernthemen.« Auch eine Offensive für einen besseren Nahverkehr wird angekündigt – in großem Detail. So fordert Die Linke, dass in Orten mit über 500 Einwohnern alle zwei Stunden ein Bus oder ein Zug fährt; ab 5000 Einwohner solle es einen Stundentakt geben. Die seit Jahren erhobene Forderung nach einer kostenfreien Kita-Betreuung wird erneut artikuliert und soll bis 2029 umgesetzt sein.

Neben derlei Vertrautem findet sich auch ein Kapitel zur Industriepolitik. Das sei »eine Neuerung«, betont Hartmann. Man habe nach Antworten auf die »tiefgreifenden Umbrüche der Arbeitswelt« gesucht und plädiere in Anlehnung an ein von Gewerkschaftern entwickeltes Konzept für einen »gerechten Übergang«.

Absehbar ist, dass Sachsens Linke im Wahlkampf vehement gegen die Schuldenbremse angehen wird – im Bund und im Freistaat, wo die Regelungen besonders strikt sind. Hartmann geißelt eine »ideologisch begründete Sparpolitik«, die Zukunftschancen verbaue: »Das derzeitige Regieren ist ein schlechtes.«

Abzuwarten bleibt, ob die Genossen mit Themen wie Krankenhausfinanzierung oder Industriepolitik aus der Defensive kommen. Andere Parteien übten sich in »Populismus und dem Belügen von Menschen«, sagt Schaper und fragt nachdenklich, ob man eine »ruhige Stimme mit sachlicher Kritik überhaupt hören möchte«. Sie betont, Die Linke wolle »nicht mit stumpfem Löwengebrüll« um Aufmerksamkeit heischen, räumt aber ein, man befinde sich »in einem Zwiespalt«.

Zudem gelte die öffentliche Aufmerksamkeit derzeit eher »Leuten, die erst anfangen, Politik zu machen« – eine Anspielung auf das BSW. Dieses hatte in Sachsen auch mit einigen Personalien für Aufsehen gesorgt, deren Leidtragende Die Linke ist. Zuletzt wurde bekannt, dass Janina Pfau aus dem Vogtland, einst deren Landesgeschäftsführerin, jetzt in gleicher Funktion beim BSW tätig ist.

Angesichts solcher Verluste betont Die Linke, es habe seit Jahresbeginn 220 Neueintritte gegeben. Selbst unter Berücksichtigung von Austritten und Sterbefällen bleibe ein Plus von 78 Genossen, sagt Hartmann. »Das sind mehr, als andere Parteien überhaupt Mitglieder haben.« Auch das ist eine Anspielung auf das BSW, das in Sachsen bisher 60 Mitglieder zählt. Die Linke hat 6176. Über den Wählerzuspruch am 1. September sagt das freilich nichts aus.

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