Frauen im Fußball: Der weite Weg zur Gleichberechtigung

Wie der DFB, die Bundesliga und Vereine für mehr Sichtbarkeit der Fußballerinnen arbeiten

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Kaum zu halten: Jule Brand (r.), hier im Pokalspiel gegen die Hoffenheimerinnen Franziska Harsch (l.) und Gia Corley, überzeugt im Verein und im DFB-Team.
Kaum zu halten: Jule Brand (r.), hier im Pokalspiel gegen die Hoffenheimerinnen Franziska Harsch (l.) und Gia Corley, überzeugt im Verein und im DFB-Team.

So schnell ändern sich im Fußball die Zeiten. Vergangene Woche gab es bereits eine Jule Brand zu besichtigen, die in der Kabine des Abe-Lenstra-Stadions von Heerenveen nach der geglückten Olympiaqualifikation mit dem deutschen Nationalteam gegen die Niederlande so verrückt tanzte, dass ihre Mitspielerinnen gleich ein bisschen lauter schrien. Nun, am Dienstagabend, wurde die Flügelstürmerin des VfL Wolfsburg von ihren Mitspielerinnen Alexandra Popp und Svenja Huth so innig gedrückt, als habe die 21-Jährige das Viertelfinale im DFB-Pokal beim 3:0 in Hoffenheim fast im Alleingang entschieden. Dabei hatte sie bloß den 48. Sieg (!) in Folge für die Wolfsburgerinnen in diesem Wettbewerb eingeleitet.

»Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Kopfballtor gemacht habe«, sagte Brand, die aus Rücksicht auf ihren Ausbildungsverein jegliche Jubelgesten unterlassen hatte. Und sie negierte auch nicht, dass ihr das von Bundestrainer Horst Hrubesch vermittelte Vertrauen aus dem Nationalteam – im Halbfinale der Nations League gegen Frankreich wurde sie eingewechselt, im Entscheidungsmatch gegen die Niederlande spielte sie durch – geholfen hatte. »Das hat mir Selbstbewusstsein gegeben.«

Noch vor wenigen Monaten galt die 2022 zum »Golden Girl« als beste U21-Spielerin Europas gekürte Brand als gutes Beispiel dafür, wie ein Toptalent auf Abwege gerät. Nachdem sie bei der desaströsen WM 2023 in Australien zu den schwächsten deutschen Spielerinnen gehört hatte, weil sie taktische Anweisungen missachtet und immer wider falsche Entscheidungen getroffen hatte, schickte Wolfsburgs Sportdirektor Ralf Kellermann im Herbst noch einen deutlichen Weckruf hinterher: »Sie hat keine Konstanz in ihren Leistungen, deutet immer wieder ihr Potenzial an. Wenn Jule eine Topspielerin werden will, muss sie hart an sich arbeiten und zu 100 Prozent für den Fußball leben.« Bei dem, was alles auf sie einprassele, sei das nicht so einfach: »Wir helfen Jule bestmöglich, aber ihr Umfeld können wir nicht beeinflussen.«

Den Rüffel hat Brand nicht vergessen – das Thema sei geklärt, versichert sie nun: »Ich will einfach meine Leistung auf den Platz bringen.« Ihr Klub strebt den zehnten Pokalsieg in Folge an, im Halbfinale geht es für die Wolfsburgerinnen Ende des Monats gegen Ligakonkurrenten SGS Essen, der am Dienstag Bayer Leverkusen mit 2:1 besiegte. Im zweiten Halbfinale hat der FC Bayern nach dem 3:0 bei Carl-Zeiss Jena Heimrecht gegen die Eintracht aus Frankfurt, die mit 4:1 gegen den MSV Duisburg gewann.

Ein Endspiel mit den Topteams aus Wolfsburg und München könnte beim Finale in Köln zu Christi Himmelfahrt am 9. Mai erneut für ein ausverkauftes Stadion sorgen. Das war immer das Ziel beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), als vor der Heim-WM 2011 das Finale der Frauen endlich als Anhängsel der Männer aus Berlin abgezogen wurde. Gleichwohl ist der Weg zu mehr Gleichberechtigung immer noch weit. Der DFB-Wachstumsplan hält fest, dass der Frauenfußball gegenüber dem Männerfußball »in der Organisation 70 Jahre, im Bundesliga-Betrieb 34 Jahre und als Live-Medienprodukt 21 Jahre im Rückstand« ist.

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Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März wird zur Steigerung der Sichtbarkeit der 15. Spieltag der Bundesliga kostenlos bei privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern sowie Streaming-Anbietern gezeigt. »Ein Spieltag für alle« lautet das Motto – so läuft beispielsweise das Spitzenspiel zwischen Frankfurt und Meister München am Sonnabend live auch beim Hessischen Rundfunk und auf sportschau.de. Der 1. FC Köln zieht am Sonntag zudem gegen Werder Bremen ins große Stadion um: Mehr als 20 000 Tickets sind schon verkauft. Nachdem 38 365 Fans vor einem Jahr gegen Frankfurt eine neue Bestmarke für die Liga gebracht haben, soll nun der Saisonrekord von Werder Bremen aus der Hinrunde gegen Köln mit 21 508 Zuschauern im Weserstadion geknackt werden.

Solche Highlightspiele helfen, die Basis zu verbreitern. Bei knapp 2700 Besuchern liegt derzeit der Zuschauerschnitt in der Bundesliga – fast dreimal so viel wie vor der Europameisterschaft 2022. Das Licht für die Liga anzuknipsen, ist wichtig und richtig. Aber größtes Zugpferd bleibt das Nationalteam, das vergangene Woche die sagenhafte Quote von 5,59 Millionen Fernsehzuschauern im ZDF vor die Bildschirme brachte. Viel mehr TV-Publikum hat auch ein Männer-Länderspiel nicht mehr.

Seit Dienstag stehen für die deutschen Frauen mit Österreich, Island und Polen die Gegner in der EM-Qualifikation fest, die in einem neuen Format im Ligen-System der Nations League ausgetragen wird. Der Erste und Zweite jeder Gruppe qualifiziert sich direkt für die Endrunde 2025 in der Schweiz. »Mit den Losen können wir sehr zufrieden sein«, konstatierte Hrubesch, der sich auf interessante Partien freut, »die uns auch in Vorbereitung auf das Olympische Fußballturnier weiterhelfen werden«.

Er wolle zwar »die eine oder andere junge Spielerin« dazu nehmen, werde aber »im Gros auf den Kader des Final Four zurückgreifen«. Der 72-Jährige wird diese sechs Spiele allesamt noch verantworten. Drei Doppelspieltage sind angesetzt, der letzte vom 10. bis 16. Juli ist grenzwertig: Direkt danach muss das DFB-Team Richtung Olympia aufbrechen. Und das bedeutet, dass Jule Brand und ihre Mitspielerinnen das zweite Jahr in Folge keine richtige Sommerpause haben.

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