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Kirchliches Arbeitsrecht: Um Gottes willen
Das kirchliche Arbeitsrecht lebt aller Aufklärung zum Trotz fort
Vor etwa 70 Jahren wurde er leibhaftig: der patriarchale Geist des kirchlichen Arbeitsrechts. Geburtshelfer war die konservative Adenauer-Regierung, und böse Stimmen munkeln, dass sich mit der religiösen Dienstgemeinschaft ein Stück völkische Betriebsgemeinschaft aus dem Nationalsozialismus in die Bundesrepublik gerettet hat. Haltlose Unterstellung natürlich.
Höchstrichterlich durch das Bundesarbeitsgericht anerkannt, breitet er bis heute seine fürsorglichen Arme über fast zwei Millionen Untertanen? Beschäftigte? Nein, Nächstenliebende aus. Die gehen in den kirchlichen Betrieben ihren gottesfürchtigen Pflichten nach und nicht etwa einer doppelt freien Lohnarbeit. Von ihnen verlangt er darum besondere Loyalität gegenüber seinen Glaubens- und Moralvorstellungen – da ist kein Platz für Irdisches, wie ein Streik- und Mitbestimmungsrecht.
Doch der Herr herrscht selbst in der schlecht säkularisierten Bundesrepublik nicht allein. Und darum gelten – aufgezwungenermaßen – bei den kirchlichen Trägern die Grundsätze der allgemeinen Gleichbehandlung. Zähneknirschend musste er zuletzt hinnehmen, dass Männer Männer und Frauen Frauen lieben können und es einiges dazwischen gibt. Als Kündigungsgrund nun ausgeschlossen, heißt das nicht, dass er es gutheißt.
Für unzeitgemäß erklärt wurde er zwar immer wieder, doch hat er sich beharrlich halten können. Jetzt machen die Gewerkschaften Ernst und wollen, dass die Ampel-Regierung ihr Versprechen auf eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts umsetzt. Wenn also der christliche Geist sich nicht mit den völkischen Wiedergängern verbündet und sein leibliches Ableben verhindert, könnte ihn und damit ein Stück deutsche Gegenaufklärung bald das Zeitliche segnen. Dann hoffentlich ohne Auferstehung.
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