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NSU in Chemnitz: Unklare Aussichten für Zeit nach dem »Interim«
Sachsen bemüht sich um NSU-Dokumentationszentrum, doch es gibt Einwände von Angehörigen der Opfer
Es ist kein schönes Etikett: »Täterstadt«. So werden mit Blick auf den NSU Chemnitz und Zwickau genannt. In den beiden westsächsischen Orten lebte das NSU-Kerntrio mit der Hilfe rechter Netzwerke 13 Jahre im Untergrund. Sachsen sei »Operations- und Planungsbasis« der Rechtsterroristen gewesen und »Ort für weitere Vernetzung«, sagt Arlo Jung von der Chemnitzer Initiative Re:member the future, die sich für einen Gedenkort in der Stadt einsetzt.
Daher gibt es seit Langem Bestrebungen, das bundesweite NSU-Dokumentationszentrum im Freistaat anzusiedeln. Die sächsische Koalition aus CDU, Grünen und SPD bekannte sich 2019 in ihrem Koalitionsvertrag dazu. Im Mai 2023 wurde eine eigene Machbarkeitsstudie vorgestellt, die unter anderem vom Justizministerium gefördert wurde. Das Zentrum könnte in Chemnitz und Zwickau entstehen und in fünf Jahren eröffnen, sagte Robert Kusche von den Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Sachsen.
Diese Bestrebungen haben jetzt einen Dämpfer erhalten. So wird in einer weiteren, aktuellen Machbarkeitsstudie, die das Bundesinnenministerium bei der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) in Auftrag gegeben hatte, die »Erreichbarkeit« als wichtiges Kriterium genannt. Die Einrichtung für Aufarbeitung und Gedenken sollen Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet besuchen; sie dürfe daher nicht an einem »abgelegenen Ort« angesiedelt werden. Das aber ist Chemnitz mit Blick auf die Bahnanbindung. Zwar gibt es seit 2022 immerhin eine Intercity-Verbindung nach Berlin. Aus dem Süden und Westen des Landes aber ist die Anreise eine Zumutung. Schwerer wiegt ein anderer Einwand, der in der Machbarkeitsstudie zitiert wird und sich auf die anhaltend starken rechtsextremen Netzwerke in Sachsen bezieht. Die Aktivitäten im Freistaat sähen die Angehörigen der Opfer und anderen Betroffenen zwar als wichtig an, heißt es. Aber wegen der »von ihnen empfundenen Bedrohungslage für migrantisch gelesene Menschen« sei Sachsen »kein Ort, den Betroffene und Opfer besuchen würden«. Diese Bedenken, betonen die Autoren der Studie, sollten »bei der Standortwahl berücksichtigt werden«.
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Während diese Suche erst anläuft, wird in der sächsischen Stadt indes schon bald an den NSU-Komplex und dessen Opfer erinnert. Ab 2025, wenn Chemnitz europäische Kulturhauptstadt sein wird, soll dort zunächst ein Interims-Dokumentationszentrum eingerichtet werden. Für den 15. Juni laden mehrere zivilgesellschaftliche Initiativen zum Richtfest ein, tags darauf ist ein Netzwerktreffen geplant. Erst dort will man sich auch zu Details der Machbarkeitsstudie des Bundes äußern.
In Sachsens Justizministerium weist man darauf hin, dass mit dem Chemnitzer Projekt »erstmals überhaupt das Gedenken an die Opfer des NSU-Komplexes und dessen Aufarbeitung institutionalisiert wird«. Erfreut äußert man sich darüber, dass in der Machbarkeitsstudie der Bundeszentrale auch ein »klares Bekenntnis zu einer weiteren Finanzierung« des Chemnitzer Vorhabens erfolge. Dort heißt es, Vorhaben in den Bundesländern könnten »in das Verbundsystem eingegliedert« und von der Stiftung, die Träger des Dokumentationszentrums werden soll, gefördert werden. Das Interimszentrum wird dabei explizit erwähnt.
Wie lange dieses in Betrieb sein wird, ist offen. Im Ministerium geht man von mehreren Jahren aus, bis aus dem Interim ein endgültiger sächsischer Standort entwickelt worden ist. Die Frage, ob auch dieser in Chemnitz oder in Zwickau angesiedelt wird, ist offen. Bisher fallen die Reaktionen aus beiden Rathäusern eher verhalten aus. In einer gemeinsamen Stellungnahme mahnten die Kommunen zwar Demokratiebildung, die Behandlung des Themas NSU in Schulen und weitere Aufklärung an, äußerten sich aber skeptisch zur vorgeschlagenen festen Einrichtung zur Aufarbeitung.
Auch entsprechende Beschlüsse der Stadträte gibt es bisher nicht. Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte dem »nd« vor einigen Monaten gesagt, man könne den Kommunen »nichts überstülpen«. Sie halte es aber für wichtig, dass beide Städte sich »nicht wegducken«, sondern »sagen: Ja, das ist Teil unserer Stadtgeschichte.« Aktuell betont man im Ministerium, die Entscheidung zur Ansiedlung eines Erinnerungsortes müssten »vor allem die Stadtgesellschaften treffen«. Das Haus werde sich aber »aktiv an der Debatte beteiligen und unseren Standpunkt vorbringen«.
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