- Kommentare
- Nahost
Gaza-Krieg: Jetzt sind Hilfe und Vernunft geboten
Vergeltungsschläge gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung sind stets zu verurteilen, meint Hans Wallow
Das Freiluftgefängnis »Gaza« ist explodiert. Am 7. Oktober verübten Hamas-Milizen ein bestialisches Massaker an unschuldigen jüdischen Nachbarn. Selbst schwangere Frauen, Kinder und Greise wurden wahllos abgeschlachtet. Trotzdem: Rache ist unzivilisiert. Diese unmenschlichen Täter gehören vor ein internationales Gericht.
Der Terrorakt hat eine lange blutige Vorgeschichte, in der Extremisten beider Seiten Verbrechen verübten. Die Gewalt traf fast immer Unschuldige, zahlreiche Bücher sind darüber geschrieben worden. Das Elend ist allein in einem journalistischen Text schwer zu erfassen, aber ein Beispiel: Bevor das israelische Militär 2005 aus dem Gazastreifen abzog, wurden zahlreiche Terrorakte von jungen Palästinensern verübt. Sie erhielten von der Al-Fatah, die an einem sicheren Ort in Tunis saß, eine Handvoll Dollar, damit sie Handgranaten in israelische Restaurants werfen. Die Reaktion des israelischen Staates: Es wurden die Wohnhäuser der Familien der Palästinenser in die Luft gesprengt. Ein jüdischer Hauptmann, dessen Familie aus dem Jemen eingewandert war, kritisierte mir gegenüber die Methode. Er sagte: »Das ist Rache und unverhältnismäßig, wodurch sich der Teufelskreis von Gewalt gegen Gewalt weiterträgt.« Das wiederholt sich jetzt.
In Israels heutiger Regierung sitzen rechtsextreme Minister, in deren Parteiprogramm die Vertreibung aller Palästinenser festgeschrieben wird. Jene Regierung wird angeführt von ihrem Ministerpräsidenten Netanjahu, der am Wahltag im März 2015 seine Sympathisanten mit der Botschaft motivierte: »Arabische Wähler stürmen in Scharen zu den Wahlurnen!« Diese Warnung war populistisch und meinte, dass es eigentlich nicht in Ordnung sei, wenn Araber im jüdischen Staat wählen. Er appellierte damals an die niedrigsten Instinkte, vor allem an die der rechtsextremen Juden, die das ganze Land für die jüdische Bevölkerung beanspruchen.
Hans Wallow saß bis 1998 für die SPD im Bundestag, wo er zu den Schwerpunkten Entwicklungspolitik, auswärtige Kulturpolitik und Menschenrechte arbeitete.
Lesen Sie auch: »Israels Vorgehen ist nicht legitim« – Die Europa-Abgeordnete Özlem Alev Demirel (Linke) spricht über die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen.
Und welche Rolle nimmt Deutschland in diesem undurchsichtigen Konflikt ein? Bundespräsident Steinmeier sagte, Deutschland stehe fest an Israels Seite. Im Hintergrund steht dabei immer der Holocaust. Ein Verbrechen, das nie verjährt. Deswegen gab es wohl keine Aussage eines deutschen Politikers an die israelische Regierung, sich an die Menschenrechte zu halten. Ein palästinensisches Kind, das durch Bomben getötet wird, ist ebenso viel wert wie ein israelisches. Es darf nirgendwo auf der Welt zweierlei Maßstäbe geben. Eine devote Haltung gegenüber Israel ist Heuchelei, Vergeltungsschläge gegen eine wehrlose Zivilbevölkerung sind stets zu verurteilen. Die Verbrecher und Planer der Hamas sitzen in klimatisierten Büros in Katar.
Die Frage ist heute: Was passiert nach dem Krieg? Wir sollten unsere langjährige Erfahrung mit der mühsamen Entspannungspolitik vermitteln. Sie ist auch in dieser Region anwendbar. Die von Deutschland angekündigte Einstellung der Entwicklungshilfe für Gaza ist falsch – ein helfendes Deutschland ist dagegen das Gebot der Stunde und beweist, dass wir unsere eigenen Werte ernst nehmen und praktizieren. Vor ein paar Wochen stellte man nur sehr leise die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel in diesem Krieg. Heute bedeutet es Selbstverleugnung zu schweigen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.