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Rassismus in Cottbus: Lehrer soll Schüler verprügelt haben
An einer Cottbuser Schule soll ein Lehrer zwei Schüler verprügelt haben, wohl mit rassistischer Motivation
Die Schule sollte ein möglichst sicherer Ort sein, an dem Kinder lernen und wachsen – in Obhut der Lehrkräfte. Doch was, wenn Pädagog*innen eine rechtsextreme, rassistische Haltung ins Klassenzimmer mitbringen? Dann wird Schule für marginalisierte, von Rassismus betroffene Kinder zum Albtraum.
Nach RBB-Recherchen ist genau das an einer Cottbuser Schule passiert. Ein Lehrer soll zwei Schüler verprügelt haben, und das vermutlich aus einer rassistischen Motivation heraus. Ein damals zwölfjähriger Schüler syrischer Herkunft erlitt demnach so starke Verletzungen, dass er drei Tage lang im Krankenhaus lag. »Der Lehrer soll dem Jungen zunächst einen Schlag in den Nacken versetzt und dann den Tisch gegen seine Brust gestoßen haben«, heißt es in der Recherche, die der RBB am Mittwoch veröffentlicht hat. In der Folge seien bei dem Jungen ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma und eine Thoraxprellung festgestellt worden.
Zwei weitere Angriffe richteten sich laut RBB gegen einen aus Tschetschenien stammenden zwölfjährigen Schüler. Der Lehrer soll das Kind einmal gegen den Oberarm geschlagen und ein anderes Mal in den Rücken getreten haben.
Am Mittwoch reagierte unter anderem Kathrin Dannenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag Brandenburg, entsetzt auf die Nachrichten. »Gewalt durch Pädagoginnen und Pädagogen ist ein absolutes No-Go«, schrieb sie und forderte eine transparente Aufklärung.
Das scheint zumindest bisher nicht geschehen zu sein. Laut RBB fanden die Angriffe gegen den syrischen und den tschetschenischen Schüler bereits im Herbst 2023 statt. Seitdem habe sich weder die Schule noch das Schulamt bei den betroffenen Kindern und ihren Familien entschuldigt.
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Das bestätigt Joschka Fröschner vom Verein Opferperspektive, der die beiden betroffenen Schüler und ihre Familien begleitet. »Wir und die Familien haben ein halbes Jahr lang versucht, in irgendeiner Form Antworten oder eine Verantwortungsübernahme von Schule, Schulamt oder Bildungsministerium zu bekommen. Aber da ist einfach nichts passiert«, erzählt er »nd«. »Man gibt seine Kinder in die Schule und geht davon aus, dass sie dort sicher sind und etwas lernen. Dann werden sie schwer angegriffen und danach gibt es keine Kontaktaufnahme – das ist wirklich ungeheuerlich.«
Der Umgang mit dem mutmaßlich gewalttätigen Lehrer sei stattdessen ohne jeglichen Austausch mit den Betroffenen erfolgt. Der Lehrer soll laut Fröschner nicht mehr an der Schule eingesetzt werden, doch mittlerweile gibt es Anzeichen dafür, dass er wieder als Lehrkraft an einer anderen Schule in der Lausitz arbeitet. »Das käme mir wie ein enormes Risiko vor«, sagt Fröschner.
Insbesondere die Reaktion der Schule, wie Fröschner sie schildert, wirkt mindestens fahrlässig. Die drei Angriffe seien innerhalb einer Woche erfolgt, der erste richtete sich demnach gegen den tschetschenischen Jungen. Seine Mutter sei daraufhin in die Schule gegangen. »Aber sie wurde abgewimmelt und konnte mit keinem Verantwortlichen reden«, so Fröschner. In den Tagen danach griff der Lehrer noch einmal den tschetschenischen und zudem den syrischen Schüler an. »Diese Angriffe hätte man offensichtlich verhindern können.« Der Vater des syrischen Kindes erzählte zudem dem RBB, die Schulleitung habe ihn davon abhalten wollen, eine Anzeige zu stellen. Er habe den Lehrer trotzdem angezeigt. Die Cottbuser Polizeibehörde bestätigt das auf Anfrage von »nd«: Insgesamt lägen gegen den Lehrer drei Anzeigen aus dem vergangenen Herbst wegen Körperverletzung vor. Die Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft dauern an, es wird eine rassistische Motivation untersucht.
Cottbus gilt schon lange als rechter Hotspot. Die Zahlen Opferperspektive, die in ganz Brandenburg Betroffene von rassistischer Gewalt berät, zeigen, dass Cottbus in den vergangenen Jahren konstant zu den Regionen mit den höchsten Angriffszahlen gehörte. »Wir haben in Cottbus vor allem viele Fälle im öffentlichen Straßenraum gegen migrantisch gelesene Menschen«, so Fröschner.
Doch auch rechtsextreme Vorfälle an Schulen in Cottbus und Umgebung sorgen nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen. Im vergangenen April hatten sich zwei Lehrkräfte aus Burg, einer Gemeinde im Spreewald bei Cottbus, mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gewandt, um auf NS-verherrlichendes Verhalten von Schüler*innen aufmerksam zu machen. Weil sie danach bedroht wurden, sahen sie sich gezwungen, die Schule zu verlassen.
Seit dem Brandbrief gehen bei den Schulämtern insbesondere in Cottbus mehr Meldungen ein. Auch die Opferperspektive erhalte seither mehr Meldungen aus Schulen und Bildungseinrichtungen zu rassistischen Übergriffen, erzählt Fröschner. »Aber dieser Fall sticht in seiner Massivität klar hervor.«
Bildungsministerium und Schulamt wiesen die Vorwürfe in einer gemeinsamen Mitteilung zurück: »Wir bedauern sehr, dass es zu dem von Ihnen geschilderten Fall gekommen ist. Alle beteiligten Stellen haben die Aufarbeitung sehr ernst vorgenommen – auch unter Einbeziehung der Sorgeberechtigten.«
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