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Sozialkürzungen in Berlin: Senat spart bei Obdachlosen
Klik und Gangway brauchen Geld für Wohnungslosenhilfe, doch der Senat muss Sparvorgaben erfüllen
Eigentlich wollte Juri Schaffranek bei Gangway ein neues Streetwork-Projekt in Treptow-Köpenick aufbauen: Der Bezirk stehe aktuell »besonders im Fokus der Obdachlosigkeit«, erzählt der Straßensozialarbeiter »nd«. Für dieses Projekt hatten laut Schaffranek der Bezirk 100 000 Euro und das Land Berlin 70 000 Euro zugesagt – genug Geld, um zwei Stellen zu finanzieren. Doch im Februar erreicht Schaffranek ein Anruf von der Liga, dem Dachverband der paritätischen Wohlfahrtsverbände. »Mir wurde gesagt, dass der Senat beschlossen hat, die Gelder bei Gangway und Klik zu kürzen.«
Die beiden sozialen Träger Gangway und Klik hatten fest mit sogenannten Aufwüchsen gerechnet, also Geldern aus Landesmitteln, die entweder ein neues Projekt finanzieren oder wie im Fall von Klik eine neu entstandene Lücke schließen sollen. Doch dann kam die Absage von der Sozialverwaltung, wohl um Sparvorgaben zu erfüllen. Die einstige Devise der schwarz-roten Koalition – »Mit uns wird es keinen sozialen Kahlschlag geben« – ist schlecht gealtert.
Bei Gangway steht dadurch ein geplantes Projekt auf der Kippe. Die 100 000 Euro vom Bezirk würden nicht für zwei volle Stellen ausreichen, so Schaffranek. »Und wir können nicht eine Person alleine auf der Straße arbeiten lassen.« Das Bezirksamt Treptow-Köpenick bestätigt das auf »nd«-Nachfrage. Die bezirkliche Summe stünde nach wie vor im Haushalt, »jedoch steht aufgrund dieser Minderfinanzierung das gesamte Projekt von Gangway für obdachlose Erwachsene in Treptow-Köpenick in Frage«.
Schaffranek hält die Streichung für fatal. »Durch die polizeiliche Verdrängung am Görlitzer Park haben wir ein Rüberschwappen der Szene in den Bereich Lohmühlen-Kiez«, berichtet er. Obdachlose mit schweren Suchterkrankungen würden nicht von sich aus Beratungsstellen aufsuchen, gerade deshalb brauche es Straßensozialarbeit. »Aber der Bezirk wird vom Senat im Regen stehen gelassen.«
Bei Klik geht es um die Zukunft des Vereins, der Obdach- und Wohnungslose mit dem Fokus EU-Ausländer berät. »Letztes Jahr habe ich der Senatsverwaltung mitgeteilt, dass Drittmittel in Höhe von 35 000 Euro im Januar nicht zur Verfügung stehen und möglicherweise auch nicht im Sommer«, sagt Alexandra Post, Geschäftsführerin von Klik, zu »nd«. Denn von der Stiftung, von der Klik bisher jährlich finanziell unterstützt werde, habe Post keine verbindliche Zusage. »Im Januar hieß es noch, wir bekommen den Aufwuchs über das ISP.« ISP steht für Integriertes Sozialprogramm: ein Rahmenfördervertrag zwischen Verwaltung und Wohlfahrtsverbänden.
Im Februar erfolgte dann ebenfalls die Absage. Post kann das nicht nachvollziehen. »Zwei andere Projekte bekommen ihre Aufwüchse, und das sind große Schiffe. Bei uns geht es tatsächlich um die Existenz der Organisation.« In dem kleinen Verein arbeiten aktuell sechs Menschen, 35 000 Euro weniger machen da einen großen Unterschied: »Wir müssten jemandem kündigen oder bei allen fünf bis sechs Stunden kürzen.« Post rechnet damit, dass sich Kolleg*innen dann nach anderen Jobs umschauen.
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Dabei kommt Klik schon jetzt kaum hinterher. »Wenn wir morgens die Tür aufmachen, stehen da schon 20 Leute und suchen Beratung«, erzählt Post. In Berlin gebe es sonst kaum Stellen mit Sozialarbeiter*innen, die fließend Bulgarisch oder Rumänisch sprächen und dazu die Klient*innen so umfangreich begleiteten. »Die Berater*innen gehen auch zu Terminen mit. Es braucht im Schnitt acht bis neun Treffen bis zu einer erfolgreichen Vermittlung ins Hilfesystem.« 2023 beriet Klik 600 Haushalte, »davon ein sehr großer Anteil Familien mit minderjährigen Kindern«, und führte knapp 5000 Beratungsgespräche, so Post.
Als zwei Abgeordnete von Grünen- und Linksfraktion die Sorgen der beiden Vereine im Sozialausschuss vergangenen Donnerstag ansprachen, ging Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) nur oberflächlich darauf ein. Bezüglich Klik sagte sie: »Die Drittmittelfinanzierung ist eigentlich nicht gefährdet.« Post widerspricht da deutlich: »Das kann sie gar nicht wissen, ich habe die Drittmittel ja noch nicht. Davon einfach auszugehen, wäre unseriös.« Mit Bezug auf Gangway antwortete Kiziltepe schlicht: »Diese Sachdarstellung ist nicht zutreffend«, lieferte jedoch keine Gegendarstellung.
Dass die Gelder gestrichen werden, hängt für Schaffranek eindeutig mit den im Haushaltsplan integrierten Sparvorgaben zusammen. Die Koalition hatte noch im Herbst mit dem großen Doppelhaushalt geprahlt. Zugleich installierte sie mit den sogenannten Pauschalen Minderausgaben ein Schlupfloch: 5,9 Prozent des Haushaltsvolumens müssen eingespart werden, das entspricht 1,7 Milliarden Euro in diesem Jahr. Und wie alle Verwaltungen muss auch die Sozialverwaltung ihren Anteil leisten.
»Das sind die Pauschalen Minderausgaben, die umgesetzt werden müssen, das wurde mir am Telefon so gesagt«, bestätigt Alexandra Post. Warum es jetzt Klik und Gangway trifft und nicht die beiden größeren Träger, die weiterhin ihre im ISP angelegten Aufwüchse bekommen sollen, kann sie sich nur mit politischem Kalkül erklären: »Vielleicht hat man geguckt, wo gibt es am wenigsten Stress? Die Entscheidung war überhaupt nicht transparent.« Schaffranek irritiert, wie die Sozialverwaltung die Streichungen beschlossen habe: »Normalerweise entscheidet der Liga-Verband, wie Kürzungen aufgeteilt werden, aber diesmal kam die Vorgabe von der Senatsspitze.«
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