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Atsiekpoe: Wie ein Dorf das Fahrrad neu erfindet
Ein einheimisches Reiseunternehmen zeigt, wie man die Ghanaer und ihre Kultur auf Augenhöhe kennenlernen kann
Der kurze Schauer ist vorüber. Noch eine Weile schmeckt die Luft nach Regen, Gras und feuchter Erde. Wie poliert funkelt das feuchte Laub der Cashewbäume, die Atsiekpoe (sprich: »a-tjémpe«) seinen Namen gaben. Der kleine Ort am Nordufer des Volta liegt in North Tongu, etwas mehr als eine Autostunde von Accras Fünfmillionen-Metropolregion entfernt.
Unter den Schuhen knirschen Sand und Steine. Die Straße ist zum Teil schon wieder trocken. Da, wo sie unter Wasser stand, ließen wir den Kleinbus stehen, um zu laufen. Wie gut! Nicht nur die stille, flache Flusslandschaft mit ihren zirpenden und zwitschernden Bewohnern lässt sich so viel intensiver spüren und betrachten. Auch fühlen wir uns deutlich wohler, ein Dorf in Afrika genauso zu betreten wie ganz normale Leute hier: zu Fuß.
- Anreise: Es gibt keine Direktflüge von Deutschland in Ghanas Hauptstadt Accra. Verbindungen mit nur einem Stopp bieten etwa Lufthansa oder Brussels Airlines via Brüssel, KLM via Amsterdam oder Turkish Airlines via Istanbul.
- Einreise: EU-Bürger benötigen für die Einreise ein Visum, für dessen komplizierte und aufwändige Beantragung genügend Zeit eingeplant werden sollte (https://ghanaemberlin.de).
- Übernachten: Empfehlenswerte Unterkünfte in Ghana sind die sehr einfachen Jolinaiko-Lodges Cashew Village in Atsiekpoe und Tagbo Falls in Liati Wote (www.joli-ecotours.com), das Golden Hill Parker in Elmina (www.booking.com) oder das Vier-Sterne-Hotel The Royal Senchi
(www.theroyalsenchi.com). Ein modernes, preiswertes City-Hotel in Accra ist das Urbano (www.urbanohotel-ghana.com). - Reiseveranstalter: Der nachhaltig orientierte Leipziger Afrika-Spezialist Akwaba Travel bietet zum Teil in Kooperation mit Jolinaiko Eco Tours verschiedene 13- bis 16-tägige Privat- und Gruppenreisen ab 2490 Euro ohne Flüge an (https://akwaba-afrika.de).
Apollo Panou ist froh. Ihm zeigt dieser angenehme Zufall einmal mehr, dass sein Konzept vom »grünen Reisen« aufgeht. Sein ehrgeiziges Ziel seit über 20 Jahren: »Ich will interessierten Gästen mein Land sowie dessen Menschen und Kulturen so unverfälscht wie möglich erlebbar machen.« 2001 startete der heute 51-jährige Ghanaer sein Ein-Mann-Reiseunternehmen Jolinaiko Eco Tours.
Bald kam seine holländische Ehefrau Cindy Noordermeer-Panou dazu. Die Mitbegründerin der NGO »Stepping Stones for Africa« lebt seit 2003 in Ghana. Ihre Leidenschaft und Hoffnungen für dieses Land wie ganz Westafrika teilt die Gesundheitswissenschaftlerin mit ihrem Mann. Überzeugt sind beide davon, dass Tourismus helfen kann, das Hinterland nachhaltig zu entwickeln.
Fabrikbesuch und Boxtraining
Unsere Reisegruppe ist seit Tagen unterwegs »mit Jolinaiko«. In Elmina und Cape Coast sahen wir die einstmaligen »Sklavenburgen« wie auch die traumhaft schönen Strände in der Nähe, wurden von den Dorfältesten empfangen und erhielten ihren Segen, im heiligen Wasserfall zu baden. Ihr Dorf, Liati Wote, ist in Sachen Sauberkeit und Müllrecycling landesweites Vorbild. Wir wanderten durch Regenwälder, auch über Wackelhängebrücken, paddelten im Volta-Stausee und begegneten im Reservat von Tafi Atome den faszinierenden Mona-Meerkatzen.
Eine moderne Schokoladenfabrik nebst Kakaoplantage stand ebenso wie eine Glasperlen- und eine Sargmanufaktur auf dem Programm. In Accra schlenderten wir nicht nur über Märkte, sondern schauten auch beim Box- und Fußballtraining zu. Nun folgt das nächste Abenteuer: ein Dorf im Irgendwo, das den Tourismus wagt.
Zwischen Palmen und Bananenstauden tauchen strohgedeckte Hütten auf. Mit ihren rauen, gelblich-grauen Wänden erinnern sie uns an Termitenhügel. »Kein Zufall«, meint Apollo. Schließlich seien sie aus deren Lehm gebaut. Daneben steht ein Ziegenstall aus dünnen Ästen, die wie ein Korb geflochten sind. Eine Frau legt darauf Wäsche aus zum Trocknen. Denn die Sonne scheint längst wieder und macht sich auch anderweitig nützlich – etwa zur Stromgewinnung. Apollo zeigt auf drei Gerüste, die hinter einem Wellblechdach zum Vorschein kommen. Obendrauf stecken Solarmodule.
»Das sind die Trinkwasserstationen«, sagt er, als wir vor den drei turmartigen Konstruktionen mit schwarzen Kunststofftonnen stehen und erklärt: »Primäre Wasserquelle für die Dörfer in diesem Gebiet ist der verschmutzte Volta-Strom – ein hohes Risiko für die Gesundheit. Seit zwei Jahren bereiten die solarbetriebenen Filtersysteme das Fluss- zu Trinkwasser auf.« Zu einem Preis, den die Gemeinde festlegt, können sich die Dorfbewohner per Chipkarte und Eimer selbst bedienen. Initiiert und mitfinanziert wurde das Projekt von Jolinaiko.
Premiumblick und Eimerdusche
Die Perlhühner sind skeptisch. Während die scheuen Vögel vor uns fliehen, beschließen ein paar Schafe ganz spontan, sich zu uns zu gesellen. Für die Kinder sind wir offenbar ein großer Spaß. Neugierig und zunächst mit Abstand mustern sie uns gründlich, machen Witze, lachen sich kaputt. Die Erwachsenen sind deutlich schüchterner. Still und freundlich grüßen sie.
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Eine Weberin lässt sich auf die geschickten Finger schauen. Ein junger Mann zeigt uns das Wasserfahrrad, das er selbst erfunden hat und unter anderem aus einem alten Bettgestell und zehn leeren Farbkanistern baute. »Ich fahre damit auf dem Volta, kann es auch verleihen«, verrät der einfallsreiche und geschickte 29-Jährige, der Delali Torbizo heißt und auch schon einen Regenwasserbrunnen konstruierte.
»Die meisten der 900 Einwohner betreiben Fischfang oder Landwirtschaft«, erklärt Apollo. Die wichtigsten Produkte seien Maniok, Mais und Erdnüsse, Tilapia und Garnelen. Gleichfalls gewinne Kunsthandwerk aus Palmenstroh (Körbe oder Matten) an Bedeutung. Schließlich nehmen Reisende gern etwas mit nach Hause. Und sie kommen – auch wenn Atsiekpoe für die meisten wenig »instagramable« wäre. Und vielleicht genau deshalb. Übernachtung – äußerst einfach und authentisch – bietet direkt am Fluss die Cashew Village Lodge mit Premiumblick und Eimerdusche.
Mini-Klinik für neun Dörfer
Tsitsi Gazor, die sich um die fünf Unterkünfte kümmert, freut sich, dass ihre Gäste gern lokale Freizeitangebote nutzen – von Bootsrundfahrten oder Angeltrips bis hin zu Koch-, Flecht-, Tanz- und Trommelworkshops. Auch das kleine Dorfmuseum sei beliebt. »Viele schauen gerne einfach zu beim Fischen, Netzeflicken oder Wäschewaschen«, weiß die junge Dorfbewohnerin.
Wichtigste Errungenschaft des Dorfes ist neben der Trinkwasserversorgung eine kleine Klinik, die erst kürzlich mit maßgeblicher Unterstützung Jolinaikos eröffnet wurde. »Zu ihrem Einzugsgebiet gehören neun Gemeinden. Alle sind zu Fuß, per Fahrrad oder Boot von Atsiekpoe aus erreichbar«, so Apollo. Die Ressourcen seien stark begrenzt und der Weg bis zu einer umfassenden medizinischen Grundversorgung sei noch weit.
Doch auch hier können die Dorfbesucher helfen, indem sie etwa eine Krankenschwester beim Hausbesuch begleiten. Das höre sich zwar seltsam an, bringe aber allen Nutzen. Apollo Panou erklärt, warum: »Die Gäste lernen etwas und erleben Alltag, Gastfreundschaft und obendrein sogar Natur, wenn sie in der Savanne unterwegs sind. Ihre Gebühr für diese Erfahrung fließt direkt in die Klinik ein.«
Unser Gefühl, in diesem Dorf am Rand der Welt zu sein, hat etwas nachgelassen. Wir wissen nun, dass es in Wirklichkeit der Mittelpunkt von allem ist – zumindest aus der Sicht der Menschen, die hier ihren Alltag meistern und dabei erstaunlich offen sind für Neues. Das macht Atsiekpoe zu etwas Besonderem, auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht.
Die Recherche zu diesem Beitrag wurde von Akwaba Travel unterstützt.
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