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Island gegen Israel: »Wir sollten dieses Spiel nicht spielen«

Israels Fußballer wollen zur EM, der Nahost-Krieg lässt jedoch Boykottrufe gegen das Land lauter werden

  • Ronny Blaschke
  • Lesedauer: 5 Min.
Kapitän Eli Dasa (r.) und Dor Peretz wollen Israel nach der WM 1970 jetzt zum zweiten großen Turnier führen.
Kapitän Eli Dasa (r.) und Dor Peretz wollen Israel nach der WM 1970 jetzt zum zweiten großen Turnier führen.

Islands Fußballer können sich in den Playoffs für die Europameisterschaft in Deutschland qualifizieren, ihr Trainer Åge Hareide aber hat Vorbehalte gegenüber dem Kontrahenten. »Wenn Sie mich persönlich fragen, würde ich nach jetzigem Stand zögern, gegen Israel zu spielen«, sagte Hareide vor wenigen Tagen: »Aufgrund dessen, was in Gaza geschieht und was sie Frauen, Kindern und anderen unschuldigen Zivilisten angetan haben. Das sollte nicht geschehen und wir sollten dieses Spiel nicht spielen.«

Island trifft an diesem Donnerstag in Budapest auf Israels Nationalmannschaft. Hareide sprach aber über die mehr als 31 000 Palästinenser, die laut Uno während der israelischen Militäroffensive in Gaza getötet wurden. Rund zwei Drittel von ihnen sollen Frauen und Kinder sein. Nun droht eine Hungersnot. »Es ist sehr, sehr schwierig für mich, nicht mehr über diese Bilder nachzudenken, die wir jeden Tag sehen«, sagte Hareide. »Aber wenn wir nicht spielen, werden wir gesperrt und riskieren eine weitere Bestrafung.«

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Viele Sportverbände, Politiker und Menschenrechtsgruppen gehen noch einen Schritt weiter und werben für einen Boykott. Der Nahost-Konflitk im Fußball: Zwölf Nationalverbände aus dem Nahen Osten fordern den Ausschluss Israels aus der Fifa. Der Initiator war Prinz Ali bin Al Hussein aus Jordanien, Präsident des Westasiatischen Fußballverbandes. Zu den Unterzeichnern gehören auch die einflussreichen Verbände aus Saudi-Arabien und Katar. Und in den palästinensischen Gebieten verbreiten mehr als 300 Sportvereine den Slogan »Ban Israel«.

Im Februar hatten 26 Mitglieder des französischen Parlaments einen Brief an das Internationale Olympische Komitee (IOC) geschickt – sie fordern Sanktionen gegen Israel. Im Europaparlament beteiligten sich 13 Abgeordnete an einem ähnlichen Vorstoß. Zudem vernetzen sich Politiker, Aktivisten und Sportler in mehreren Ländern für Petitionen. Eine stammt von der ehemaligen irischen Basketballerin Rebecca O’Keeffe. Rund 400 Sportler versammeln sich hinter ihrer Kampagne: »Irischer Sport für Palästina«. In ihrer Argumentation verweisen diese Initiativen auch auf die Olympische Charta, in der es heißt: »Jeder Mensch muss die Möglichkeit zur Ausübung von Sport ohne Diskriminierung jeglicher Art und im olympischen Geist haben.«

Angesichts der Kriegsfolgen im Sport fordern zahlreiche Organisationen, dass Israel genauso behandelt werden müsse wie Russland. Nach dem Angriff auf die Ukraine wurde Russland vom internationalen Sport ausgeschlossen. In Gaza zählen auch viele Sportler, Trainer und Funktionäre zu den Toten, darunter der olympische Fußballtrainer Hani Al Masdar. Dutzende Sportplätze, Hallen und Verbandsräume sind zerstört, darunter jene des Palästinensischen Olympischen Komitees. Überdies wurde das Yarmouk-Stadion, in dem seit 1938 Fußball gespielt wurde, von der israelischen Armee als Internierungslager genutzt.

Die internationalen Sportverbände aber wollen Israel und Russland nicht auf die gleiche Stufe stellen. Auf Nachfrage erinnert das IOC an die Suspendierung des Russischen Olympischen Komitees (ROC) im Oktober 2023. Die Begründung: Das ROC hatte die Sportverwaltungen in den besetzten ukrainischen Gebieten an sich gebunden und damit laut IOC die »territoriale Integrität des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine verletzt«. Die Olympischen Komitees aus Israels und Palästina aber hätten ihre »Zuständigkeit nicht über den eigenen Bereich hinaus ausgedehnt«.

Die palästinensischen Sportorganisationen weisen diese Auslegung zurück und erinnern dabei an ihren Alltag vor dem aktuellen Krieg. Häufig seien ihre Sportlerinnen und Sportler an Kontrollpunkten im Westjordanland festgehalten und die Einfuhr ihrer Sportgeräte erschwert worden.

In Israel dagegen scheinen Politik und Sport um Diplomatie bemüht zu sein. »Ich vertraue darauf, dass die Fifa die Politik nicht in den Fußball einbezieht«, sagte Niv Goldstein, Geschäftsführer des israelischen Fußballverbandes. Zudem, betonte er, habe Israel ein Recht auf Selbstverteidigung. Am 7. Oktober hatte die Terrororganisation Hamas im Süden Israels mehr als 1200 Menschen getötet und mehr als 230 nach Gaza verschleppt. Israelische Medien und Sicherheitsbehörden greifen zudem ebenso den Sport in ihrer Verteidigungslinie auf. Demnach sollen in Gaza Raketen auch von Sportplätzen Raketen abgefeuert, palästinensische Fußballteams mitunter als Rekrutierungszellen genutzt und einige Sportplätze im Westjordanland nach Terroristen benannt worden sein.

Sollten Israels Fußballer nun in der EM-Qualifikation das erste Playoff-Duell gegen Island gewinnen, würden sie am Dienstag auf die Ukraine oder Bosnien-Herzegowina treffen. Bei einem Erfolg stünde Israel vor dem zweiten großen Turnier seit der WM 1970. Für den Gastgeber Deutschland wären damit große Herausforderungen in der Sicherheit verbunden. Die wenigen israelischen Sportler, die seit dem 7. Oktober an internationalen Wettbewerben teilgenommen haben, waren auf Personenschutz und geheime Unterkünfte angewiesen. Die israelischen Fechter beispielsweise mussten nach einer Bombendrohung in Bern in Sicherheit gebracht werden.

Auch in Deutschland ist die Zahl antisemitischer Vorfälle drastisch gestiegen. Dabei greifen Gruppen wie die BDS-Bewegung, die Israel wirtschaftlich isolieren will und vom Bundestag als antisemitisch eingestuft wird, auch den Sport auf. Im Internet ruft BDS, was für »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen« steht, zum Beispiel zu Protesten, Sitzstreiks und »friedlichen Störungen« bei Wettkämpfen auf, womöglich auch bei der EM und Olympia.

Das IOC und Europas Fußballverband Uefa betonen, dass sie keine Sanktionen gegen Israel planen. Vermutlich auch, weil einflussreiche Nationen im Sport wie die USA, Deutschland und Frankreich an der Seite Israels stehen. Aber ob andere Verbände bei weiter steigenden Opferzahlen in Gaza ähnlich agieren? Der Eishockey-Weltverband schloss israelische Nationalteams zunächst aus, nahm diese Entscheidung nach Kritik wieder zurück.

Auch die Sponsoren halten sich zurück, weil sie in diesem Spannungsfeld wohl nur verlieren können. Der Sportartikelhersteller Puma lässt seinen Vertrag mit Israels Fußballverband auslaufen, eine Entscheidung, die angeblich schon 2022 getroffen wurde. In Israel wurde Puma heftig kritisiert, die Unterstützer der Boykottforderungen feierten das: als ihren eigenen Erfolg.

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