Ostermarsch in Potsdam: 210 Menschen zogen in den Frieden

BSW-Bundestagsabgeordneter Hunko spricht beim vorgezogenen Ostermarsch von einer verbreiteten Kriegspsychose

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (BSW) spricht am 23. März 2024 beim Potsdamer Ostermarsch.
Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (BSW) spricht am 23. März 2024 beim Potsdamer Ostermarsch.

Der Anhänger an einem roten Auto holpert über das Kopfsteinpflaster der Hegelallee. Ein Lautsprecher ist darauf festgeschnallt, daraus schallt vom Band ein Lied von Udo Lindenberg: »Wir zieh’n in den Frieden. Wir sind mehr, als du denkst!« 210 Menschen ziehen am Samstag beim Potsdamer Ostermarsch hinter dem roten Auto her. Bei der Auftaktkundgebung am Brandenburger Tor waren es noch knapp 300 Teilnehmer. Aber zwischenzeitlich regnet und stürmt es heftig, und da lichten sich die Reihen.

Dass die Beteiligung eher mäßig sei, denkt Robert Scholz aus Brandenburg/Havel. Er ist zum ersten Mal beim Ostermarsch der Friedenskoordination Potsdam (Friko) dabei, die diesen Marsch für Frieden und Abrüstung immer schon eine Woche vor Ostern veranstaltet. Doch im vergangenen Jahr verzeichnete die Friko auch nur 300 Teilnehmer, sonst nie mehr als 200.

Diesmal mit dabei sind Nuthetals Bürgermeisterin Ute Hustig und Brandenburgs Ex-Umweltministerin Anita Tack (beide Linke). Bei Tack war fest damit zu rechnen, denn ihr Partner Wolfram Adolphi ist einer der Redner. »Ich will nicht, dass meine 15 Enkelinnen und Enkel einem Krieg ausgesetzt werden«, begründet Adolphi sein Engagement. Während er spricht, wirbelt der Wind die vor ihm abgelegten Transparente auf. Sie müssen vorübergehend eingerollt werden. Einem Mann fliegt die Kappe davon. Wolfram Adolphi drückt sich seinen Hut fester auf den Kopf.

In der Nacht zu Sonntag verübt Russland dann wieder Luftangriffe. In der ukrainischen Industriestadt Krywyj Rih im Gebiet Dnipropetrowsk beschädigen herabfallende Trümmer Heizungs- und Stromnetze, wie Verwaltungschef Serhij Lysak laut Nachrichtenagentur dpa erklärt. »Mehrere Heizkraftwerke in der Stadt wurden wegen des Spannungsabfalls abgeschaltet.« Sechs Krankenhäuser, mehr als 150 Schulen und 3000 Wohnhäuser seien vorübergehend betroffen gewesen.

Der Wirtschaftswissenschaftler Kai Kleinwächter ist überzeugt: Einen Sieger werde es in diesem nun schon mehr als zwei Jahre andauernden Krieg nicht geben. 52 Millionen Menschen lebten nach seinen Worten 1990 in der Ukraine. Doch mittlerweile sei die Bevölkerungszahl auf vermutlich weniger als 30 Millionen gesunken. Mehr Waffen und mehr Soldaten würden alles nur schlimmer machen, warnt Kleinwächter beim Ostermarsch. »Soll die Ukraine noch eine Zukunft haben, muss jetzt verhandelt werden – ja, mit Zugeständnissen an Russland.«

Deutschland habe für diesen Krieg schon 60 Milliarden Euro ausgegeben, die Betreuung der ukrainischen Flüchtlinge inbegriffen, rechnet Kleinwächter vor. »Bis Ende des Jahres werden es wahrscheinlich 70 Milliarden, möglicherweise sogar 80 Milliarden sein – eine gigantische Summe.« Butter oder Kanonen? Die Bundesregierung habe sich für Kanonen entschieden.

In der Hegelallee legt der Ostermarsch einen Zwischenstopp vor der Hausnummer 38 ein. Eine Gedenktafel an der Fassade informiert, dass hier im November 1914 Potsdamer Genossen ihren SPD-Abgeordneten Karl Liebknecht beauftragten, im Reichstag gegen die Kriegskredite zu stimmen.

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»Ich will appellieren, dass wir immer menschlich bleiben in diesen Zeiten«, sagt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko von der Wagenknecht-Partei BSW bei der Abschlusskundgebung wieder am Brandenburger Tor. Er schweigt ein paar Sekunden zum Gedenken an die mindestens 115 Todesopfer, die ein am Freitagabend verübter Terroranschlags auf eine Konzerthalle im Moskauer Vorort Krasnogorsk forderte. Dann erinnert Hunko daran, dass am 24. März vor 25 Jahren der Nato-Angriff auf Jugoslawien begann. Diese völkerrechtswidrige Attacke auf der einen Seite habe zu Reaktionen auf der anderen Seite geführt, versucht er die heutige Weltlage zu erklären. Hunko äußert den Eindruck, dass viele an einer Kriegspsychose leiden, dass sie den Verstand verloren haben. Diesen Irrsinn müsse man stoppen.

Am 30. März wird das rote Auto mit dem Lautsprecher wieder im Einsatz sein: Beim Ostermarsch in Brandenburg/Havel, der um 14 Uhr auf dem Neustädtischen Markt startet.

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