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Krieg und Aufrüstung befeuern den Klimawandel
Militärische Hochrüstung ist in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr, warnt Otmar Steinbicker
Die begründete Angst vor einem Atomkrieg hat in den 1980er Jahren Hunderttausende in der Bundesrepublik motiviert, an machtvollen Friedensdemonstrationen teilzunehmen. Die dadurch beförderte intensive sicherheitspolitische Debatte griff auch auf Militärs über. Am Ende des Kalten Krieges entwickelte sich ein Konsens zumindest in Europa, dass nicht nur ein großer Atomkrieg nicht überlebbar ist, sondern auch ein großer, weiträumig geführter konventioneller Krieg in den Dimensionen eines Zweiten Weltkrieges die europäische Zivilisation gefährden würde. Diese Erkenntnis auf allen Seiten führte zur logischen Konsequenz weitgehender, miteinander verhandelter Abrüstungsmaßnahmen, um einen Kriegsausbruch zu verhindern.
Heute hat sich das Bild gewandelt. Regierungsverantwortliche in der Nato und Russland setzen auf einen langandauernden konventionellen Krieg in der Ukraine und hoffen zugleich, dass dieser Krieg aus Überlebensinteresse aller Beteiligter nicht zu einem großen, die Menschheit vernichtenden Atomkrieg eskaliert. Ob diese Erwartung aufgeht, wenn der Krieg in der Ukraine nicht beendet, sondern durch die Lieferung weitreichenderer Waffensysteme oder gar durch einen Einsatz von Bodentruppen aus Nato-Ländern weiter eskaliert wird, bleibt offen.
Heute kommt allerdings ein weiterer für die Lebensbedingungen der gesamten Menschheit wichtiger Faktor hinzu, der in seiner Bedeutung in den Debatten der 1980er Jahre eher wenig gesehen wurde: der Klimawandel.
Otmar Steinbicker ist Geschichts- und Sozialwissenschaftler, Herausgeber des Aachener Friedensmagazins aixpaix.de und als Journalist und Friedensforscher für die Friedensbewegung engagiert.
»Die sichere Existenz der Menschheit steht auf dem Spiel.« Zu diesem Ergebnis kam 2022 der Bericht des Weltklimarats (IPCC). Von der zunehmenden Erderwärmung werden die jüngeren und nachfolgenden Generationen deutlich stärker betroffen sein. Dem IPCC zufolge kann »der Klimawandel indirekt das Risiko gewalttätiger Konflikte erhöhen, indem er gut dokumentierte Ursachen dieser Konflikte wie Armut und wirtschaftliche Schocks verstärkt«.
Zugleich befeuern Krieg und Hochrüstung den Klimawandel. Das gilt für mehrere tausend Granaten, die Tag für Tag in der Ukraine von beiden Seiten abgefeuert werden. Das gilt aber auch für den CO2-Fußabdruck der Rüstungsproduktion. Eine im Oktober 2023 veröffentlichte Studie der Ärzteorganisation IPPNW und weiterer Organisationen zeigt deutlich, dass die Zielsetzung des Pariser Klimaabkommens nicht mehr zu verwirklichen ist, wenn die Nato ihre geplanten Militärausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts verwirklicht.
Der gesamte militärische CO2-Fußabdruck der Nato ist danach von 196 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (tCO2e) im Jahr 2021 auf 226 Millionen im Jahr 2023 gestiegen – 30 Millionen Tonnen mehr in zwei Jahren, was etwa der Zahl von mehr als acht Millionen zusätzlichen Autos auf den Straßen entspricht. Wenn alle Nato-Mitglieder das Ziel von zwei Prozent des BIP einhalten, würde sich ihr kollektiver militärischer Kohlenstoff-Fußabdruck zwischen 2021 und 2028 auf zwei Milliarden tCO2e belaufen.
Die deutliche Steigerung der Rüstungsproduktion in Russland, China und weiteren Nicht-Nato-Ländern verstärkt diesen Effekt und ein absehbares weltweites Wettrüsten dürfte sich derzeit nicht in Zahlen fassen lassen.
Um dem Klimawandel zu begegnen, ist internationale Zusammenarbeit erforderlich. Krieg und Hochrüstung gefährden die Existenz der Menschheit.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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