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Niners im Europe Cup: Der Chemnitzer Marktplatz ist noch frei
Chemnitz hofft am Ende einer starken Basketball-Saison der Niners auf den Gewinn des Europapokals
Zu viele Gedanken darüber, was seine Mannschaft in dieser Saison bereits erreicht hat, mag sich Jonas Richter gar nicht machen. Der Kapitän der Niners Chemnitz, Tabellenzweiter in der Bundesliga, erobert mit seinem Team gerade Basketball-Europa. Zwar gilt der Europe Cup maximal als der dritthöchste europäische Wettbewerb, doch vor dem Halbfinalhinspiel an diesem Mittwoch bei Bilbao Basket (20 Uhr auf youtube.com/fiba) gilt der Überraschungsklub aus Sachsen als Titelaspirant. Von den bislang 14 Europapokalspielen in dieser Saison hat das Team des argentinischen Trainers Rodrigo Pastore schließlich 13 gewonnen.
Im Viertelfinale fegte der Newcomer über Casademont Zaragoza hinweg und dominierte den Kontrahenten zweimal. »So, wie wir die gesamte Saison bis jetzt spielen, ist das schon ein großer Erfolg. Ich will gar nicht so viel darüber nachdenken, sondern einfach jedes Spiel so gut wie möglich bestreiten«, sagt der gebürtige Chemnitzer Richter. »Sonst«, so befürchtet er, »gibt es einen Realitäts-Check.« Wie einen Schlafwandler auf dem Dachgiebel sollte man auch die Niners gerade also besser nicht aufwecken. Denn in welche Höhen sich der langjährige Zweitligist aufgeschwungen hat und wie selbstverständlich und sicher sich die Chemnitzer auf internationalem Parkett bewegen, ist schwindelerregend.
Niners wollen Publikum ausblenden
Der 2,07-Meter-Mann Richter ist den gesamten Weg seit 2014 mitgegangen und steht nun mit seinem Team vor der Herausforderung, in der bis zu 10 000 Fans fassenden Bilbao-Arena zu bestehen. Ein Spiel vor dem oft lauten Publikum im Baskenland, das er sicher sein Leben lang nicht vergessen wird. Nach dem morgendlichen ersten Hallenrundgang sagte der 26-Jährige: »Die Arena ist schon sehr eindrucksvoll. Es wird darauf ankommen, das etwas auszublenden, den Fokus auf uns zu legen und uns von einer solchen Kulisse gar nicht so sehr beeindrucken zu lassen.« Ob das gelingt, weiß Richter selbst noch nicht genau. Er sei »gespannt, wie wir damit umgehen«. Denn vor so vielen Zuschauern haben die Niners in dieser Saison noch nicht gespielt.
Der Kapitän muss sich also bremsen, um den Fokus nicht zu verlieren. Doch die Verantwortlichen und Fans in der Heimat träumen vom ersten großen Titel, den der Klub gemeinsam mit den Chemnitzern feiern könnte. Die Regierenden der Stadt haben sicherheitshalber schon mal nachgefragt, wann sie Marktplatz und Rathausbalkon freihalten müssten. Ein gemeinsam errungener Titel wäre die Belohnung für eine außergewöhnliche Saison, in der Chemnitz das Establishment hierzulande gehörig aufwirbelte. Zwar gelangen gegen Alba Berlin und den FC Bayern in der Bundesliga keine Siege, doch sonst pflügen die Niners mit beeindruckender Konstanz und Qualität durch die Liga. Sollten sie am Ende Rang drei oder vier belegen, ist das Meisterschafts-Halbfinale in diesem Jahr durchaus realistisch.
Eine Priorität setzen die Sachsen nicht. Sie gehen beide Wettbewerbe gleichberechtigt an. »Wir wollen jedes Spiel, so gut es geht, mit der besten Aufstellung spielen. Die Belastungssteuerung findet dann zwischen den Spielen im Training statt«, erklärt Richter. Angesichts des Erfolgs sei es trotz der immensen Anzahl an Spielen derzeit überhaupt kein Problem, Energie- und Motivationsniveau oben zu halten. Solche Halbfinalspiele wie gegen Bilbao motivierten sogar noch einmal extra, so der Spielführer. Von den möglichen Endspielen mag er noch nicht reden, doch selbstbewusst kündigt Richter an: »Ich traue uns zu, gegen Bilbao einen Sieg zu holen.« Auch mit einer knappen Niederlage im Gepäck hätte Chemnitz im Rückspiel in einer Woche daheim in der Messehalle noch alle Optionen.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte am vergangenen Wochenende angekündigt, beim Bau einer Halle mitten in der Stadt unterstützen zu wollen. Ein Gelände, das teilweise dem Freistaat gehört, soll dafür infrage kommen. Den Realitäts-Check müssen Jonas Richter & Co. also nicht fürchten: Es ist ganz real, wie die Chemnitzer Basketballer gerade den noch jungen Basketball-Standort entwickeln.
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