- Berlin
- Verkehrswende
Fahrraddiebstahl in Berlin: 70 geklaute Räder pro Tag
Zahl der Fahrraddiebstähle bleibt in Berlin konstant hoch, Changing Cities fordert mehr Abschließmöglichkeiten
Mit dem Bolzenschneider abgezwackt, das Schloss geknackt oder einfach weggetragen – Fahrräder in Berlin werden geklaut, und das nicht zu knapp. Durchschnittlich 70 am Tag verschwanden 2023 durch Diebeshand, insgesamt zählt die Polizei 25 750 betroffene Fahrräder. Nur ein Bruchteil davon kehrt irgendwann zu seinen rechtmäßigen Besitzer*innen zurück, die Aufklärungsquote lag im vergangenen Jahr bei 4,5 Prozent. Bei allen Straftaten insgesamt erreichte die Polizei 2023 nach eigenen Angaben eine Aufklärungsquote von 45,5 Prozent.
Die Bilanz zu Fahrraddiebstählen geht aus der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, hervor. Sie zeigt vor allem, dass sich an der Grundproblematik nichts ändert: Gestohlen wird wie eh und je. Zwar sank die Zahl der Diebstähle im Vergleich zu 2022 um rund 3000 Fälle, doch im Fünf-Jahres-Vergleich lässt sich kein konstanter Rückgang feststellen.
Auch die Bezirke mit den meisten Fahrraddiebstählen bleiben dieselben: Den ersten Platz hält weiterhin Mitte mit 3884 angezeigten Fällen, dicht gefolgt von Friedrichshain-Kreuzberg (3802) und Pankow (3297). Die wenigsten Fahrraddiebstähle wurden in Marzahn-Hellersdorf (621) und Spandau (678) angezeigt. Die Verteilung über die Bezirke sagt jedoch wenig über das Risiko aus: In einem großen Bezirk wie Pankow stehen vermutlich mehr Fahrräder herum, relativ betrachtet könnte ein Rrad also in einem kleineren Bezirk wie Spandau genauso gefährdet sein.
Auch die Hotspots, wo besonders viele Räder geklaut werden, ändern sich kaum. Bis auf zwei Ausnahmen tauchten sie bereits in früheren Bilanzen auf. »Die Hotspots des Fahrraddiebstahls sind seit Jahren bekannt, trotzdem ändert sich dort kaum etwas«, kommentiert Vasili Franco. Ein Hotspot stand 2023 an Platz zwei, obwohl die Polizei dort intensiv kontrolliert: der Wrangelkiez am Görlitzer Park.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Franco und seine Fraktion fordern mehr polizeiliche Kapazitäten für die Prävention und Aufklärung von Fahrraddiebstählen. »Bei einem durchschnittlichen Schadenswert von rund 1150 Euro kann man schon längst nicht mehr von Bagatelldiebstählen sprechen«, sagt Franco. Mit einem Antrag schlugen sie bereits vergangenen Sommer Maßnahmen wie eine stadtweite Ermittlungsgruppe beim Landeskriminalamt, mehr internationale und nationale Vernetzung zur grenzüberschreitenden Verfolgung und Lockfahrräder mit GPS-Sendern vor. »Andere Städte wie München, Hamburg oder Oldenburg haben im Vergleich höhere Aufklärungsquoten und beweisen, dass die Verfolgung von Fahrraddiebstählen nicht allein auf Zufallsfunden beruht«, heißt es in dem Antrag. Diese Städte hätte alle ihre speziellen Ermittlungsgruppen.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Ragnhild Sørensen von Changing Cities sieht in den hohen Diebstahlzahlen ein Zeichen dafür, dass Fahrräder weiterhin nicht als Transportmittel ernstgenommen würden. »Ich komme aus Kopenhagen und im Vergleich finde ich es in Berlin wirklich eine Zumutung. Meine Räder stehen mittlerweile in der Wohnung, weil sie ständig geklaut wurden«, erzählt sie »nd«. In ihren Augen fängt das Problem nicht bei den polizeilichen Ermittlungen an. »Was wir brauchen, sind erst mal Abschließmöglichkeiten.« Mehr Fahrradbügel, aber auch Fahrradparkhäuser schlägt sie vor, besonders an S- und U-Bahnstationen und im Wohnumfeld. Doch die Städteplanung sei noch zu sehr von der »Auto-Religion« durchzogen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.