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- Fußball: DFB-Länderspiel
Ohne Popp muss Klara Bühl das DFB-Team führen
Deutschlands Fußballerin des Jahres rückt bei der EM-Qualifikation gegen Island in den Mittelpunkt
Es gab zwei Szenen in Linz, die die gesamte Schwankungsbreite der deutschen Fußballerinnen illustrierten. In der Hauptrolle Klara Bühl: Einmal zeigte sie mit ausgebreiteten Armen an, dass sie nicht mehr wisse, wo sie den Ball hinspielen könne. Kurz darauf richtete sich dagegen die Angreiferin auf und klatschte demonstrativ in die Hände. Wie das gesamte Team hatte da auch Bühl gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt. Schlussendlich sollte ihr Doppelpack im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich (3:2) eine peinliche Pleite abwenden.
Im Heimspiel gegen Island an diesem Dienstag (18.10 Uhr/ZDF) nun ist von Beginn an eine ordentliche Haltung angesagt, findet die 47-fache Nationalspielerin. »Auf die Mentalität, dass wir noch ein Spiel drehen, möchte ich eigentlich nicht so oft zurückgreifen. Jede Spielerin sollte sich vielleicht mal hinterfragen, wo der Kopf war.« Die 23-Jährige möchte »von Beginn an in den Angriffsmodus« schalten, war mit ihrer Gesamtleistung in Oberösterreich also nicht wirklich zufrieden gewesen. Dabei hat sie von dort sogar die Auszeichnung zur »Spielerin des Spiels« mit nach Aachen gebracht.
Rund 15 000 Fans werden am Tivoli erwartet, wo das Männerteam der in der Regionalliga West führenden Alemannia gerade riesigen Zuspruch bekommt. In diesem Sog sollen bitte die deutschen Fußballerinnen weitermachen. »Wir wollen diesen Weg weitergehen«, verlangt Horst Hrubesch. »Wir haben gesagt, dass wir sechs Spiele in Vorbereitung auf Olympia haben. Deshalb hoffe ich, dass wir diesmal von Anfang an in die Partie kommen.« Dafür müsse man aber »alles investieren, was man hat«.
Der Bundestrainer möchte vor den Augen seines Nachfolgers Christian Wück, der erstmals als Beobachter auf der Tribüne sitzen will, auch eine bessere Führungsstruktur sehen: »Wir müssen schauen, dass wir nicht nur eine, oder zwei oder drei, sondern, fünf, sechs, sieben Leute haben, die mal Verantwortung übernehmen, wenn es nicht läuft.« Der bald 73-Jährige zählt Klara Bühl mit ihren fußballerischen Qualitäten definitiv zu dieser Fraktion. Gerade wenn Sturmpartnerin Alexandra Popp fehlt – und nach den Olympischen Spielen (24. Juli bis 11. August) vielleicht zurücktritt –, wird es noch mehr auf die beim SC Freiburg ausgebildete und 2020 zum FC Bayern gewechselte Schwarzwälderin ankommen.
Bei der WM 2023 war Bühl öffentlich meist auf das von ihr erstellte Maskottchen »Waru« reduziert worden. Niedlich allemal, aber nur einen Glücksbringer zu stricken, reicht gewiss nicht. In Australien lief auch Bühl ziemlich neben der Spur, weil sich gegen Kolumbien (1:2) und Südkorea (1:1) das Angriffsspiel in hohen Bälle auf Popp verlor. Dennoch wählten die Fans die bodenständige Bühl mit weitem Abstand zur »Nationalspielerin des Jahres 2023«. Dass sie solche Auszeichnungen verdient, bewies sie am vergangenen Freitag mit ihren Länderspieltoren 21 und 22. Beim 1:2 schmetterte sie den Ball humorlos mit rechts in die Maschen, »in dem Moment war das purer Wille, denn natürlich frustet das auch in mir, wenn man keine Duelle, kaum Flanken, wenig Kontakte hat«. Beim 2:2 vollendete sie mit links eine tolle Kombination unhaltbar ins lange Eck.
Über die zwei grundverschiedenen Gesichter rätselte auch sie im Nachgang: »Die Konstanz fehlt uns einfach noch. Man sieht ja in Phasen, dass die Qualität da ist. Vielleicht hat das mit Überzeugung, mit Selbstbewusstsein zu tun.« Für diese These spricht, dass sie im Bayern-Trikot in einem Traumsturm mit Lea Schüller und Pernille Harder seit Wochen konstant abliefert: Die Meisterschaft scheint Formsache, das Finale des DFB-Pokals gegen den VfL Wolfsburg am 9. Mai in Köln eröffnet den Münchnerinnen sogar die Option aufs erste Double der Vereinsgeschichte.
Doch vorerst gilt der Fokus der Herausforderung gegen Island, was bei Bühl mit guten Erinnerungen verknüpft ist. Als die DFB-Frauen im ersten Spiel nach dem WM-Desaster zum Nations-League-Auftakt in Dänemark gepatzt hatten, stand das deutsche Team eben gegen diesen Gegner Ende September in Bochum gehörig unter Druck. Am Ende feierten die Menschen im Ruhrstadion fast euphorisch einen 4:0-Triumph, zu dem Klara Bühl damals zwei Tore beigetragen hatte. Die Auszeichnung zur »Spielerin des Spiels« ging selbstredend auch damals an sie.
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