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Aus der Heimat in die Universitätsklinik und zurück
Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt Studie zur Gewinnung von Ärztenachwuchs vor
Wer in Brandenburg das Problem fehlender Ärzte lösen will, sollte seinen Blick auf andere Gegenden der Welt richten. Dort ist zu sehen, wie Ärzte durch geringer qualifiziertes Personal von Routinetätigkeiten befreit werden, um sich umso intensiver um ihre Patienten kümmern zu können – so lautet ein Fazit einer Studie, die am Montag im Landtag vorgestellt wurde. Unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg hat Charlotte M. Kugler »erfolgreiche Ansätze aus anderen Regionen« zusammengetragen.
Das Problem brennt auf den Nägeln, denn »37 Prozent der praktizierenden Ärzte im Bundesland sind älter als 60 Jahre«, sagte der Stiftungsvorsitzende Steffen Kluth. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung sind inzwischen schon 330 Hausarztstellen unbesetzt. Die medizinische Versorgung ist aber eine wichtige Frage der Daseinsvorsorge. In Ostdeutschland müssten Antworten besonders schnell gefunden werden, weil die Gesellschaft durch den Geburtenknick nach der Wende und den Wegzug vieler junger Leute in den 90er Jahren besonders drastisch altert.
Kugler, die an der privaten Medizinischen Hochschule »Theodor Fontane« tätig ist, forderte, die Zulassungskriterien für ein Medizinstudium zu überdenken. Hier Landeskinder gezielt anzusprechen, bedeute, einen verlässlichen »Klebeeffekt« auszunutzen. Denn rund 80 Prozent der Abiturienten würden bei der Wahl des künftigen Arbeitsortes der Heimat den Vorzug geben. Das gelte es auszunutzen. Kanada habe gute Erfahrungen damit gemacht, Abiturienten aus unterversorgten Regionen bevorzugt zu einem Medizinstudium zu ermuntern. Sie seien noch am ehesten bereit, dort als Arzt oder Ärztin tätig zu sein.
Ein weiteres Mittel wäre die konsequente Erhöhung der Absolventenzahl medizinischer Hochschulen und Universitäten, die seit 2013 in Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt liegt. In Brandenburg gibt es bisher nur die private Medizinische Hochschule in Neuruppin. Eine staatliche Medizinerausbildung in Cottbus ist im Aufbau begriffen. Es wird aber noch Jahre dauern, bis sie die ersten Absolventen vorweisen kann.
Wer Ärzte wolle, müsse ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten, mahnte Kugler. Man lebe nun einmal in einer Zeit, in der jungen Menschen Freizeit, Urlaub und Familie wichtiger seien als Geld. Deshalb zögen Absolventen die geregelte Festanstellung in einem Krankenhaus, in dem man vielleicht sogar in Teilzeit arbeiten könne, der aufreibenden Existenz eines niedergelassenen Arztes vor. Kugler riet, mehr Versorgungszentren aufzubauen, in denen Ärzte unter einem Dach praktizieren und sich gegenseitig unterstützen könnten. Auch Urlaubsvertretungen wären so leichter zu gewährleisten. Vorbild dafür sind die Polikliniken der DDR.
Steffen Kluth von der Luxemburg-Stiftung nannte die Studie einen »Debattenbeitrag«, der dazu anregen wolle, den Blick auf die Probleme zu lenken. »Die Bevölkerung erwartet, dass der Staat sich für die soziale und Gesundheitsstruktur verantwortlich fühlt.« In Brandenburg wird seit Jahren erörtert, wie das Problem fehlender Fach- und Hausärzte zu lösen wäre. Dabei habe es gute Ansätze gegeben, doch mangele es an der Verstetigung, bedauerte Kluth. Vieles sei im Versuchsstadium steckengeblieben, konnte also keine flächendeckende Wirkung entfalten. Die wiederbelebte Idee der Gemeindeschwester, die es in der DDR auf dem Dorf gab, ist ein Beispiel dafür.
Schon im Oktober 2022 machten die niedergelassenen Ärtze mit einer Protestwoche darauf aufmerksam, dass nicht nur die Krankenhäuser in Schwierigkeiten stecken. Allgemeinmedizinerin Antje Meinecke erklärte auch mit Blick auf die von den Krankenkassen gezahlten Honorare: »Wir befürchten, dass das ambulante System aufgeweicht wird.«
»Nach meinem Gefühl wird das systemkritisch«, sagte Andreas Schwark von der Kassenärztlichen Vereinigung. Viele der älteren Ärzte spielten mit dem Gedanken, aufzuhören. »Wir benötigen sie aber dringend. Brandenburg hat eine der niedrigsten Ärzteraten bundesweit.«
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