US-Unternehmen baut Atommeiler in der Ukraine

Mit der Westinghouse Electric Company soll die Vorherrschaft russischer Atomtechnologie durchbrochen werden

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 3 Min.
Kontrollraum zu Schulungszwecken: Hier trainieren ukranische Beschäftigte für den Betrieb des AKW Chmelnyzkyj, wo zwei Reaktoren schon einige Jahre laufen.
Kontrollraum zu Schulungszwecken: Hier trainieren ukranische Beschäftigte für den Betrieb des AKW Chmelnyzkyj, wo zwei Reaktoren schon einige Jahre laufen.

Es war ein feierlicher Augenblick, als frisch angerührter Beton unter den Augen einer kleinen Gruppe geladener Gäste in ein Baugerüst in der ukrainischen Kleinstadt Netischyn bei Chmelnyzkyj floss. Zu den Beobachtern zählte der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko, die US-Botschafterin in der Ukraine Bridget Brink und der Geschäftsführer von Westinghouse Electric Company, Patrick Fragman. Sie alle wollten Zeugen des Baubeginns von Block fünf und sechs im Atomkraftwerk Chmelnyzkyj sein.

Dieses AKW, in dem bisher nur zwei Reaktoren laufen, soll ein Pilotprojekt sein. Hier wird der erste Reaktor auf ukrainischem Boden entstehen, der in den USA entworfen wurde. Dieser sei in der Lage zu »manövrieren«, so Minister Haluschtschenko, könne also schneller als andere Reaktoren die Stromerzeugung herauf- oder herunterfahren. Gerade angesichts der russischen Angriffe auf das ukrainische Energiesystem sei das wichtig, so der Politiker vor ukrainischen und US-amerikanischen Fahnen. Gemeinsam mit den Vereinigten Staaten könne man nun außerdem die Russen aus dem europäischen Kernkraftmarkt verdrängen.

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Bereits jetzt habe man alle ukrainischen Atomkraftwerke von ihrer Abhängigkeit von russischen Brennstäben befreit, freute sich Westinghouse-CEO Patrick Fragman in seiner Rede. Insgesamt neun Atomreaktoren will der US-Konzern in der Ukraine bauen, ergänzte US-Botschafterin Brink.

Zeitnah wird man nun auch den Weiterbau der nie zu Ende gebauten Blöcke drei und vier im AKW Chmelnyzkyj in Angriff nehmen. Und dann, so Petro Kotin, Chef des ukrainischen Atomkonzerns Enerhoatom, wird das AKW Chmelnyzkyj das sein, was das AKW Saporischschja bisher war: Europas größtes Atomkraftwerk.

Schon jetzt bauen die ukrainische Atomwirtschaft und der US-Atomkonzern Westinghouse ihre Zusammenarbeit aus. Im September letzten Jahres wurde erstmals ein ukrainisches Atomkraftwerk mit Brennstäben bestückt, die gemeinsam von Enerhoatom und Westinghouse produziert worden sind. Lange Jahre war die ukrainische Atomwirtschaft von Brennelementen der russischen Atomwirtschaft abhängig. Nun will man mit den gemeinsam produzierten Brennelementen auch andere europäische Länder bedienen, die bisher Kunden Russlands sind.

Am 2. April hatte die ukrainische Regierung den Weiterbau von Reaktor drei und vier des AKW Chmelnyzkyj beschlossen. Hier stehen den Bauherren jedoch Schwierigkeiten ins Haus, die bei einem Neubau eines Atomreaktors nicht zu befürchten sind. Die ersten Bauarbeiten an Reaktor drei waren 1986, an Reaktor vier 1987 aufgenommen worden. Doch nach der Tschernobyl-Katastrophe verordneten die sowjetischen Behörden 1990 ein Moratorium für den Neubau von Atomreaktoren.

Reaktor drei ist zu 75 Prozent fertiggestellt, Reaktor vier zu fast 30 Prozent. Immer wieder gab es in der inzwischen unabhängigen Ukraine Versuche, die Reaktoren zu Ende zu bauen. Aus unterschiedlichen Gründen hatte sich dieses Vorhaben bisher nicht umsetzen lassen. Unter anderem Brände und Überschwemmungen hatten Zweifel an der Haltbarkeit der Bauten geweckt, die offenbar bis heute nicht völlig ausgeräumt sind. Die langjährige Chefin der staatlichen Atomregulierungsbehörde, Elena Mykolajtschuk, hatte laut Medien für den Abriss der alten Rohbauten und für einen Neubau plädiert.

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