Der neue Schulleiter in Burg

Markus Mandel versucht nach rechten Vorfällen eine Trendwende

  • Silke Nauschütz
  • Lesedauer: 4 Min.

»Einige hatten gehofft, dass jetzt die große Wende kommt«, sagt Markus Mandel. Es gehe ihnen zu langsam. Der Lehrer kam vor fast acht Monaten als neuer Schulleiter an die Grund- und Oberschule von Burg im Spreewald. Hier hatten rechtsextreme Vorfälle für Aufsehen gesorgt.

Die Schule hatte im vergangenen Jahr nach einem zunächst anonymen Brandbrief zweier Lehrkräfte über Monate bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Lehrerin Laura Nickel und Lehrer Max Teske hatten im April 2023 geschildert, sie seien täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Sie berichteten über Hakenkreuze auf Möbeln, rechte Musik im Unterricht, demokratiefeindliche Parolen in Schulfluren. Dazu herrsche eine »Mauer des Schweigens«. Danach wurden sie angefeindet und verließen die Schule.

Was Markus Mandel vorfand, war ein tief gespaltenes Lehrerkollegium. Zum Schulstart im September schaute er zunächst, so sagt er, mit welchen Lehrkräften er arbeiten konnte. Nickel und Teske standen nicht mehr zur Verfügung. Nach ihrem Brandbrief galten sie im Kollegium als Nestbeschmutzer.

Tief verwurzelter Rassismus

An diesem Morgen hat ein erstes Café geöffnet, ein Gemüsestand wartet auf Kunden, am Hafen liegen Spreewaldkähne. Vor der Schule steigen Schüler aus dem Bus. Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto, Jugendliche schlendern zum Unterricht. Eine Mutter sagt, man wolle Ruhe haben, überhaupt sei alles von den Medien übertrieben dargestellt worden.

Doch für die Studie »Jugend in Brandenburg« der Universität Potsdam wurden im Schuljahr 2022/2023 auch Schüler aus Burg befragt. Die Auswertung zeigte, dass Kinder und Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen in Burg häufiger vertreten waren als im Durchschnitt Brandenburgs. Schulleiter Mandel ist im Ort bekannt. »Viele Eltern, die ihre Kinder jetzt in der Schule haben, habe ich unterrichtet«, sagt der 63-Jährige. In den 80er Jahren war er hier Lehrer und stellvertretender Direktor. Nun ist er auf Anordnung des Bildungsministeriums zurückgekehrt, auch wegen seiner Kompetenz. Geprägt werde eine rechtsextreme Gesinnung meist in den Elternhäusern, durch Freunde oder über soziale Medien, berichtet Mandel. »Was echt verankert ist, ist eine gewisse Ausländerfeindlichkeit, obwohl manche gar keine Kontakte zu Ausländern haben.« Wie tief diese feindliche Gesinnung verwurzelt ist, zeigt Mandel an einem Beispiel. Auf der Suche nach einem Fußballverein seien zwei kurdische Jungen von anderen Schülern abgelehnt wurden. »Die Härte hat mich erschreckt«, sagt der Schulleiter.

Etwa 160 Kilometer entfernt in Brandenburg/Havel ist Lehrer Max Teske inzwischen froh, Abstand zu haben zu den für ihn kräftezehrenden Vorkommnissen in Burg. Seine neue Schulleitung gehe auf die Bedürfnisse der Lehrkräfte ein. Das Kollegium setze sich trotz auch unterschiedlicher Ansichten zu Problemen an einen Tisch, erzählt Teske. In Burg habe es hingegen eine Lagerbildung gegeben. »Wenn Lehrkräfte einen Hitlergruß als Dummen-Jungen-Streich abtun, haben die an einer Schule nichts zu suchen«, sagt Teske klar.

Keine neuen rechten Vorfälle

Rechtsextremismus-Forscherin Heike Radvan von der Technischen Universität Cottbus sieht die Aufgabe aller Lehrkräfte darin, sich gegen jede diskriminierende Aussage, gegen Geschichtsrelativierung und rechte Einstellungen deutlich zu positionieren und das auch zum Lerngegenstand zu machen. Der neue Schulleiter sei bemüht, könne es aber nicht allein schaffen. Es brauche eine veränderte Debatte an der Schule und in der Region, Unterstützung von Schulamt, Bildungsministerium, Gemeinwesen, Zivilgesellschaft.

Schulleiter Mandel selbst denkt derweil: »Reden ist immer was sehr Positives. Ich lasse Leute nicht von vornherein links liegen, die nicht meiner Meinung sind.« Aber was Mandel zu hören bekommt, ist auch für ihn schwer zu ertragen. Klassenfahrten ins Konzentrationslager Auschwitz hätten Eltern schon mal als Besuch von Filmkulissen bezeichnet. »Das ist doch alles Fake, das sind noch Kulissen aus Schindlers Liste.« Veranstaltungen mit Aussteigern aus der rechten Szene ließen nachdenkliche Schüler zurück, aber auch solche, die die Aussteiger als »Schauspieler« abtaten.

Wie der Sender RBB am Dienstag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtet, ist die juristische Aufarbeitung der rechten Vorfälle an der Schule weitgehend abgeschlossen. Es habe sieben Ermittlungsverfahren gegen Kinder und Jugendliche gegeben, von denen fünf eingestellt wurden. Zumeist ging es um Hitlergrüße und Hakenkreuz-Schmierereien.

Schulleiter Mandel zufolge hat es im laufenden Schuljahr keinen neuen Vorfall gegeben. Fünf Seiteneinsteiger verstärken das Kollegium. Ein aus Syrien geflüchteter Lehrer unterrichte Mathematik. Er werde von den Kollegen akzeptiert und unterstützt. Mandels Ziel ist es, Schülern die Augen zu öffnen: »Es ist der Versuch, dass man vielleicht die Schwankenden rettet.« Sein Appell an die Politik: »Wir brauchen mehr Sozialarbeit an Schulen und wir brauchen Jugendarbeit am Nachmittag.« Vor der Schule hat Mandel beobachtet, wie die rechte Partei Der Dritte Weg erst kürzlich Flugblätter verteilte. dpa/nd

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