- Politik
- Menschenrechte
Mumia Abu-Jamal: Die Stimme der Stimmlosen
Der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal wird 70 und erfährt Solidarität aus der ganzen Welt
Sein Gesundheitszustand ist schlecht, das Verfahren spottete rechtsstaatlichen Grundsätzen: Seit über 42 Jahren – seit dem 9. Dezember 1981 – sitzt der afroamerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal im US-Bundesstaat Pennsylvania in Haft – als politischer Gefangener der USA. Länger als Abu-Jamal, nämlich seit 1975, sitzt in den USA nur der indigene Aktivist Leonard Peltier im Gefängnis, dem der Mord an einem FBI-Agenten vorgeworfen wird.
Abu-Jamal hat den Mordvorwurf immer zurückgewiesen. Das Einzige, was ihm erspart wurde, ist die Hinrichtung, denn er wurde ursprünglich zum Tode verurteilt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kam zum Schluss: »Sicher ist, dass der Prozess nicht den internationalen Standards für ein faires Verfahren entsprach. Zeugen wurden unter Druck gesetzt und widerriefen ihre zuvor gemachten Aussagen später vor Gericht.«
Am 8. Dezember 1981 war der damalige Black-Panther-Aktivist Mumia Abu-Jamal wegen angeblichen Polizistenmordes verhaftet worden. Im Juni 1982 wurde er in einem manipulierten Prozess dafür zum Tode verurteilt. Erst 2011 wurde die Todesstrafe endgültig in lebenslange Haft umgewandelt. Dass die Gegenseite, die Bezirksstaatsanwaltschaft Philadelphia, auf die letzte rechtliche Möglichkeit verzichtete, die Exekution doch durchzusetzen, wurde von vielen als Eingeständnis seiner Unschuld gewertet. Denn dafür hätte es eines Geschworenen-Prozesses bedurft, in dem alle Fakten neu bewertet hätten werden müssen. Das Risiko, dass die Geschworenen zu der Überzeugung kommen könnten, Abu-Jamal ist unschuldig, war offenbar zu groß.
Unterm Strich bleibt: Das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, in dem festgeschrieben wurde, dass er ein Polizistenmörder sei, ist unanfechtbar – trotz aller Fakten und Indizien, die dagegen sprechen.
Zum Schweigen bringen lässt sich der gesundheitlich schwer angeschlagene Abu-Jamal nicht. Seit über 30 Jahren verfasst er Beiträge für die Gefangenenplattform Prisen Radio. Er widmet sich dabei Themen wie der Todesstrafe, den regressiven Tendenzen der US-Strafjustiz, Rassismus, dem Trump-Mob, Kapitalismus, Krieg und Klimakrise oder der Beziehung indigener Gesellschaften zur Ökologie. Dabei verstand sich der Journalist immer als »Voice of the voiceless« – als Stimme derjenigen Marginalsierten, die selbst keine Stimme für sich erheben können.
Das US-Justizsystem scheint es darauf anzulegen, dass Abu-Jamal an den Folgen jahrzehntelanger Isolationshaft und nachweislicher medizinischer Unterversorgung stirbt. Die Gefängnisleitung stelle weiterhin keine angemessene medizinische Versorgung zur Verfügung, heißt es seitens des bundesweiten Free Mumia Netzwerks. Dabei sei die nach einer doppelten Bypass-OP im April 2021 dringlicher denn je, da Mumia Abu-Jamal auf eine spezielle Diät sowie regelmäßige körperliche Übungen angewiesen ist. Das wird ihm verwehrt, so das Netzwerk: »Der Gefängnishof ist geschlossen und es wurde ihm verboten, sich im Tagesraum des Gefängnisses frei zu bewegen. Mittlerweile ist Abu-Jamal sehr geschwächt und leidet an verschiedenen körperlichen Einschränkungen sowie starken Krankheitssymptomen.« Die ärztlichen Anordnungen würden in seinem Fall ebenso ignoriert wie allgemein gültige Behandlungsstandards.
Zu seinem 70. Geburtstag wird vielerorts die Forderung nach sofortiger Freilassung laut. Deshalb finden rund um den 24. April international Proteste für seine Freiheit statt, so auch in Berlin.
In Berlin startet am 24. April um 18 Uhr eine Fahrraddemonstration am Syndikat in Neukölln (Emser Str. 131) mit dem Ziel US-Botschaft am Pariser Platz 2, wo um 20 Uhr alle zur Kundgebung eingeladen sind.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.