Spuren von Hooligans führen hinauf in Griechenlands Machtzirkel

Großflächige Polizeioperation und Ermittlungen wegen tödlicher Sportgewalt legen Verbindungen zu Klubfunktionären nahe

  • John Malamatinas, Thessaloniki
  • Lesedauer: 4 Min.
Kein Bild aus Corona-Tagen: Griechenland verbannte Fans nach Ausschreitungen im Dezember für Monate aus den Stadien.
Kein Bild aus Corona-Tagen: Griechenland verbannte Fans nach Ausschreitungen im Dezember für Monate aus den Stadien.

Das Ausmaß der Aktion war bislang ungekannt – zumindest im Kampf gegen Hooligan-Gewalt in Griechenlands Sport. Zu Wochenbeginn hatte die Polizei Dutzende Wohnungen im Großraum Athen und Piräus durchsucht und 67 Verdächtige vorläufig festgenommen. Hintergrund der Operation ist der tödliche Angriff auf den 31-jährigen Polizisten Giorgos Lyggeridis im Rahmen eines Volleyballspiels von Olympiakos Piräus im Athener Stadtteil Renti im Dezember des letzten Jahres. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei im Nachgang des Spiels war der Polizist von einer Leuchtrakete verletzt worden. Am 27. Dezember erlag er schließlich in einem Krankenhaus seinen Verletzungen.

Unter den Festgenommenen sollen die fünf mutmaßlichen Verantwortlichen des Angriffs auf Lyggeridis sein, hieß es nun im Nachgang der Razzia. Angeblich gehörten sie zum harten Kern der organisierten Olympiakos-Fans. Laut dem griechischen Staatssender ERT habe einer von ihnen versucht, nach Albanien zu fliehen, wurde aber in Ioannina, nahe der griechischen Westgrenze, aufgespürt. Diesen Personen wird vorgeworfen, jüngere Fans regelmäßig zu »rekrutieren« und sie zu gewalttätigen Angriffen auf Fans anderer Mannschaften und Polizeibeamte anzustiften. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der minderjährige Bruder des 18-jährigen mutmaßlichen Täters, der die Leuchtrakete abgeschossen und danach ein Geständnis abgegeben haben soll. Er habe damals auf Anweisung anderer gehandelt.

Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei den meisten jetzt Festgenommenen um führende Mitglieder von Fanklubs. Verhaftet wurden demnach »Anführer, Organisatoren, Gruppenleiter, Übermittler von Befehlen sowie Waffendepotverwalter«. Einige seien bereits vor 15 Jahren in Vorfälle verwickelt gewesen. Im Fokus der Ermittlungen steht der berüchtigte Fanklub Gate 7 (benannt nach der Kurve mit dem Tor Nummer 7 im Fußballstadion Giorgos Kairaiskakis in Piräus) und seine Verflechtungen bis in die Chefetage des Vereins. Für Szenebeobachter gilt Gate 7 als die Privatarmee von Klubbesitzer Evangelos Marinakis, dem nebenbei auch noch der englische Premier-League-Klub Nottingham Forest gehört. Dem Reeder und Medienmogul wurden in der Vergangenheit Verbindungen zum Rauschgifthandel nachgesagt. Im Fußball soll er Schiedsrichter erpresst haben.

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In einem Aktenleak der Staatsanwaltschaft, der der Webseite »Zougla« vorliegt, heißt es: »Die Hooligans, die sich selbst als organisiert bezeichnen, haben eine operativ strukturierte und ständig aktive Organisation gebildet, die darauf abzielt, systematisch Verbrechen und Vergehen zu begehen, insbesondere Explosionen und Brandstiftung, Herstellung und Besitz von Sprengstoffen und Bomben, Totschlag, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl, Raub, Erpressung.« Zudem sollen führende Klubfunktionäre diese Fans mit Freitickets versorgt haben, die sie auf dem Schwarzmarkt weiterverkaufen.

Klubführung und Hooligans könnten sogar gemeinsam Ausschreitungen orchestriert haben. Dabei wird auf Vorfälle im März 2023 bei einer Partie zwischen Olympiakos und AEK Athen am fünften Spieltag der Playoffs verwiesen. Als AEK kurz vor Schluss ein drittes Tor erzielte, sorgten verärgerte Heimfans für eine Unterbrechung des Spiels, indem sie Bälle auf das Spielfeld warfen. »Das Gleiche taten der Präsident und der Vizepräsident von Olympiakos, Evangelos Marinakis und Konstantinos Karapas«, so die Ermittlungsakte. Allerdings gab es bisher keine Verhaftungen von Funktionären.

Nach Informationen der linken Zeitung »EFSYN« waren die beteiligten Personen den Behörden seit Langem bekannt, die Ermittlungen wurden diesmal aber von einer ausgewählten Gruppe von Beamten geführt, um die üblichen Indiskretionen zu verhindern. »Es fehlte nur noch der letzte politische Wille, die Ermittlungen zu Ende zu führen«, schrieb das Blatt. Der »ideale Zeitpunkt« dafür scheint nun gekommen, da die rechtskonservative Regierung das ramponierte Image von »Recht und Ordnung« im Land wiederherstellen und die Polizei ihr eigenes Bild nach dem Mord an Kyriaki Griva verbessern will. Die 28-Jährige war Anfang April von ihrem Ex-Freund direkt vor einem Revier ermordet worden, kurz nachdem sie Polizeibeamte um Hilfe gebeten, diese aber nicht erhalten hatte.

Im Fußball hat Griechenland schon seit Jahrzehnten ein Gewaltproblem. Dieses verschärfte sich zuletzt allerdings dramatisch: Im August wurde der 29-jährige Michalis Katsouris in Athen inmitten einer Auseinandersetzung zwischen Anhängern AEK Athens und Dinamo Zagrebs erstochen. Im Februar 2022 töteten Fans von PAOK Thessaloniki den erst 19-jährigen Alkis Kampanos. Diese Taten ließen die Debatte um ein endgültiges Verbot von Fanklubs wieder aufflammen. Die kurzfristigen Maßnahmen eines allgemeinen Zuschauerverbots aufgrund der Vorfälle in Renti, das bis zum Februar lief, sind mittlerweile wieder aufgehoben.

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