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Fußballerinnen von RB Leipzig dicht vor dem Klassenerhalt

RB Leipzigs Fußballerinnen stehen kurz vor dem Klassenerhalt. Der Trainer muss trotzdem gehen

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 6 Min.
Julia Pollak (l.) und ihre Leipziger Fußballerinnen mussten sich erst an die Bundesligahärte gewöhnen. Gegen den 1. FC Nürnberg um Madeleine Steck (M.) winkt nun der Klassenerhalt.
Julia Pollak (l.) und ihre Leipziger Fußballerinnen mussten sich erst an die Bundesligahärte gewöhnen. Gegen den 1. FC Nürnberg um Madeleine Steck (M.) winkt nun der Klassenerhalt.

Viola Odebrecht hat den Laptop vor dem Treffen mit dem »nd« im Pressekonferenzraum der Akademie von RB Leipzig am Cottaweg auf ihren Knien platziert; direkt nach dem Termin muss sie sich in ein Online-Meeting mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) einwählen. Viel zu tun aktuell für Odebrecht, die die Frauenabteilung bei Rasenballsport leitet und bereits auf Hochtouren die neue Saison plant. Am kommenden Montag (19.30 Uhr) könnte für diese Arbeit enorm viel Druck abfallen, der sich im Premierenjahr in der Bundesliga aufgestaut hatte. In der drittletzten Partie dieser Spielzeit kann der Tabellenneunte RB bei Mitaufsteiger und Abstiegskandidat Nürnberg den Klassenverbleib klarmachen; dafür genügt schon ein Punkt. »Das wird bejubelt – egal, ob intern bei uns im Klub, bei der Mannschaft, im Funktionsteam und auch von mir persönlich«, blickt Viola Odebrecht schon einmal voraus. »Der Klassenerhalt ist ein Meilenstein für uns. Wir haben selbst erfahren, wie schwer und welche Herausforderung die erste Saison in der Bundesliga ist. Da fällt dann bei allen Beteiligten auch eine Last ab.«

Dass es so lange dauern würde, bis die erfolgsverwöhnten Leipzigerinnen sich im Oberhaus akklimatisieren und zu konstantem Spiel finden würden, hatte Trainer Saban Uzun zwar von Beginn an gepredigt, aber viele im Klub hatten ihm wohl nicht geglaubt. »Das waren zwei komplett unterschiedliche Hälften dieser Saison«, bilanziert nun die Weltmeisterin von 2003. »Die Mannschaft hat in der Hinrunde relativ lange gebraucht, um in der Bundesliga anzukommen und das abzurufen, was sie zu leisten imstande ist. Das wurde in der zweiten Hälfte viel besser umgesetzt. Die erste Bundesliga hat schon eine besondere Wucht, mit der wir erst mal zurechtkommen mussten.«

Mit der größeren Körperlichkeit war das teils neu formierte Team zunächst nicht zurechtgekommen und hatte sich von schlechten Phasen und Rückständen oft aus der Bahn werfen lassen. »Im Fußball ist man am liebsten schon gestern als erst heute oder morgen erfolgreich«, sagt Trainer Uzun am Telefon. »Wir mussten alle gemeinsam geduldig sein, das ist uns gut gelungen. Für mich war es aber auch keine große Überraschung, dass wir uns in der Rückrunde finden und stabilisieren.«

Erst nach der Winterpause akklimatisierten sich die Spielerinnen, weil sie laut Odebrecht »den Kampf angenommen haben. Sie haben gemerkt, dass es dazugehört, 100 Prozent Ehrgeiz in jeden Zweikampf zu legen und man mit ganzer Kraft dagegenhalten und dazwischenhauen muss, anstatt die Gegnerinnen nur zu begleiten«. Inzwischen seien viele Spielerinnen »gereift«, was diese Grundlagen angehe. »Jetzt wollen wir darauf aufbauen und die Spielidee und DNA von RB Leipzig weiterentwickeln, wie wir mit dem Ball in der Offensive agieren.«

Doch das soll ab Juni ohne Trainer Uzun geschehen. Ende März entschied sie gemeinsam mit der RB-Geschäftsführung, dass der Vertrag mit dem Aufstiegstrainer nicht verlängert wird. Vor allem mit Sebastian Schuppan hatte sie beraten, dem Ex-Profi von Dynamo Dresden, der heute als Referent dem Sportdirektor Rouven Schröder zuarbeitet und sich aus dem Universum des Männerfußballs heraus auch um die Belange der Frauen kümmert. Odebrecht betont, dass es keine einsamen Entscheidungen gebe. Strategische Schritte wie diese werden stattdessen von der gesamten Sportlichen Leitung getroffen, auch mit dem Trainer. »Wir haben offen formuliert, wo wir hinwollen. Dabei wurden unterschiedliche Vorstellungen deutlich, wie der Weg des Teams in den kommenden drei bis fünf Jahren gestaltet werden soll«, erklärt sie nun die Entscheidung. Das gehöre jede Saison aufs Neue auf den Prüfstand. Die Trennung sei »multifaktoriell«, formuliert es Odebrecht, die ansonsten angenehm geradeaus daherkommt, etwas umständlich. Die Ideen über den weiteren Weg der RB-Frauen, der wie bei den Männern mittelfristig bis in die Champions League führen soll, seien eben auseinandergegangen.

Doch welche unterschiedlichen Vorstellungen das genau sind, kann selbst Trainer Uzun nicht genau benennen. »Es ist eine Entscheidung getroffen worden, die legitim und okay ist. Dass man auch mal unterschiedlicher Auffassung ist, wenn man über den Kader und Neuverpflichtungen spricht, ist auch normal«, sagt der 36-Jährige, der gern bei RB weitergemacht hätte. »Man kommt voran, wenn man sachlich und fachlich diskutiert – dabei ist es gut, wenn auch mal konträre Gedanken aufeinandertreffen.« Nur, wenn diese verschiedenen Vorstellungen grundlegender werden, hätte eine weitere Zusammenarbeit »wenig Sinn«, gibt er zu bedenken. Aus Uzuns Sicht, so hört man zwischen den Zeilen heraus, kam die Trennung eher unerwartet.

Der Nachfolger steht wohl schon fest, auch wenn Odebrecht keinen Namen nennen will. Nur so viel: Der neue Trainer müsse eine Vision haben, das RB-Spielprinzip weiterzuführen – aber anders als bei den Männern, »weil wir nun mal Frauen sind und andere physiologische Voraussetzungen haben. Dennoch soll die DNA nicht verloren gehen.« Im Kern soll Uzuns Nachfolger taktisch feiner austarieren, in welchen Phasen ohne Ballbesitz das Team geschlossen presst und wann es den Gegner lockt und sich von dem kräftezehrenden Spielstil erholt. Wie die einst von Ralf Rangnick in die RB-Klubs gebrachte Lehre des Pressing-Gegenpressing-Fußballs verbessert und titelfähig gemacht wird, ist in Leipzig auch bei den Männern ein ewiges Thema.

Daneben geht es Odebrecht darum, auch bei den Frauen die Transferphilosophie zu schärfen. »Wir wollen das Potenzial junger Spielerinnen vollends ausschöpfen und sie individuell auf ihren Positionen weiterentwickeln«, sagt sie. »Wenn du einzelne Spielerinnen besser machst, wird die Umsetzung der gesamten Spielidee besser sein.« Dies muss fortan erfolgreicher gelingen, um auch künftig hochveranlagte Talente nach Leipzig zu locken. Im zweiten Bundesligajahr soll das Team nur punktuell verstärkt werden – etwa mit der jungen Torhüterin Lina von Schrader, die aus Hoffenheim kommt.

Viel diskutiertes Thema im Klub ist auch, die Bedingungen für die Frauen grundsätzlich zu verbessern. Im Winter hatte Odebrecht kritisiert, dass die Trainingsumstände im Ligavergleich eher im unteren Mittelfeld anzusiedeln seien. So stünden zu wenige Rasenflächen zur Verfügung; im Winter muss das Team bislang auf Kunstrasen trainieren. Die Kritik kam nicht bei jedem im Verein gut an, doch es wird Verbesserungen geben. »Der Klub ist intensiv und akribisch dabei, mit uns Lösungen zu finden und den Frauenfußball auch hinsichtlich der Infrastruktur auf ein anderes Niveau zu heben«, sagt Odebrecht heute dem »nd«. Bei vielen Dingen sei man schon sehr weit, »und über die Dinge, wo wir noch Verbesserungsbedarf haben, sind sich alle einig«.

Abgesehen von einem einzigen Spiel im großen Stadion, das gut 10 000 Fans sahen, ist die Frauen-Bundesliga in Leipzig noch ein Nischenprodukt. »Die Leipziger*innen müssen uns auch erst mal richtig wahrnehmen, müssen wissen, dass wir in der Bundesliga spielen – dazu gehört natürlich auch sportlicher Erfolg«, betont Odebrecht. Von den Männern weiß RB: Begeisterung in der Stadt entsteht durch attraktiven Spielstil und Erfolg. Doch zunächst wollen sie diese Saison zu einem versöhnlichen und standesgemäßen Ende führen. Gelingen noch drei Punkte aus den verbleibenden drei Spielen, wäre Leipzig der beste Aufsteiger der vergangenen zehn Jahre. Auch wenn das nur wenigen auffällt, ein Erfolg wäre das allemal.

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