Tag der Befreiung in Berlin: Heiliger Krieg gegen Sowjetfahnen

Flaggenverbot am Tag der Befreiung und am Tag des Sieges an den Ehrenmalen in Berlin

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, tritt um 17 Uhr am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park der Ernst-Busch-Chor auf. Doch anders als es der Schauspieler Ernst Busch (1900–1980) getan hat, darf der Chor nicht das berühmte Lied »Der heilige Krieg« singen – weder das russische Original noch die deutsche Fassung. Die Polizei untersagt alle Versionen dieses und anderer Militärmärsche und -lieder, jegliche Uniformen sowie russische und sowjetische Fahnen und Symbole. Diese Auflagen gelten auch für den 9. Mai, den Tag des Sieges, und sie gelten ebenfalls für die sowjetischen Ehrenmale im Tiergarten und in der Schönholzer Heide.

»Wer die Fahne des Siegers verbietet, stellt sich auf die Seite des Verlierers, also des Hitlerfaschismus«, beschwert sich Gerhard Langguth, Sohn von Widerstandskämpfern, bei Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Er schreibt ihr, auch das Lied »Der heilige Krieg« dürfte nach Ansicht von Langguth nicht verboten werden.

Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wollte sowjetische Flaggen mitnehmen und am 9. Mai auch das Lied abspielen. »Es ist absurd und wiedersprüchlich, am Tag des Sieges über den deutschen Faschismus die Symbole und die Musik unserer Befreier zu verbieten«, sagt der DKP-Landesvorsitzende Stefan Natke. Die Verfügung sei »grotesk und in höchstem Maße peinlich« gegenüber allen Völkern der ehemaligen Sowjetunion, die mit 25 Millionen Opfern »die meisten Toten mit diesem von Deutschland angezettelten Vernichtungskrieg zu beklagen haben«.

Ein Verbot russischer und sowjetischer Flaggen gab es in Berlin bereits in den Jahren 2022 und 2023 – auch damals schon begründet mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. 2022 waren zusätzlich auch ukrainische Flaggen verboten, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Ein gewisses Verständnis für den Ausschluss sowjetischer Flaggen bringt Berlins Linksfraktionschef Carsten Schatz auf, da russische Einheiten mit roten Regimentsfahnen in die Ukraine eingefallen seien. Er meint ohnehin, dass Blumen für die gefallenen Soldaten zu bringen besser sei, als alle Nationalflaggen. Fast 7500 Rotarmisten sind am Treptower Ehrenmal beigesetzt.

Die Bundestagsabgeordete Gesine Lötzsch (Linke) wird ihre Blumen früh am Ehrenmal im Tiergarten niederlegen. Sie hat mit einer schriftlichen Anfrage herausbekommen, dass die Bundesregierung selbst keine Veranstaltungen zum Tag der Befreiung plant und dass der Kanzler und die Minister auch nicht an Veranstaltungen anderer aus diesem Anlass teilnehmen werden. Sie fragt sich deshalb, ob die Befreiung aus dem Bewusstsein gelöscht werden soll. »Wird der Krieg Russlands instrumentalisiert, um die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg zu relativieren?« Für Lötzsch gebietet es der Anstand, am 8. Mai Blumen auf die Gräber von Menschen zu legen, »die ihr Leben für unsere Freiheit gegeben haben«. Für den 10. Mai von 15 bis 17 Uhr lädt Lötzsch zum traditionellen Lesen gegen das Vergessen auf den Bebelplatz, um an die Bücherverbrennung im Jahr 1933 zu erinnern. Aus seinerzeit den Flammen übergebenen Texten tragen vor: die Politiker Gregor Gysi und Petra Pau, Nazijägerin Beate Klarsfeld, Sängerin Marianne Rosenberg und andere.

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