Berliner Energieversorgung: Gasag ohne Gas

Gasag will auf Wasserstoff und Nahwärme setzen

Erdgas liegt dem Berliner Energieversorger Gasag in den Genen – das ist schon am Namen zu erkennen. Mittelfristig will das Unternehmen aber von dem klimaschädlichen Energieträger wegkommen. Das erklärten Vorstandsmitglieder bei der Vorstellung der Jahresbilanz am Dienstag. »Wir sind in der Transformation der Energiewelt angekommen«, sagte Vorstandsvorsitzender Georg Friedrichs.

Bislang überwiegt bei der Gebäudewärme, die Schwerpunkt der Gasag-Geschäftstätigkeit darstellt, noch das Erdgas: Zwei Drittel aller Gebäude in Berlin werden mit diesem Energieträger beheizt, weitere 19 Prozent mit Öl und Kohle. Nur acht Prozent der Gebäudewärme stammen dagegen aus erneuerbaren Quellen. Die Auswirkungen sind enorm: Etwa 40 Prozent der CO2-Emissionen, die Berlin ingesamt ausstößt, stammen aus der Gebäudewärme.

»Die Erdgasnutzung muss zeitlich endlich sein«, sagte Gasag-Vorstandsmitglied Matthias Trunk. Als Alternative setzt die Gasag auf zwei Pfeiler: Zum einen soll ein Teil der Gebäudewärme künftig mit Wasserstoff erzeugt werden. Dafür will die Gasag bis 2030 ein »Startnetz« aufbauen. Gasleitungen, die zu Heizkraftwerken führen, sollen umgebaut werden, um mit Wasserstoff kompatibel zu sein. Bis zu 50 Prozent des heutigen Gasbedarfs soll so ersetzt werden können.

Zum anderen setzt die Gasag künftig verstärkt auf Nahwärme. Eine »Perle« sei ein Projekt an der Pallasstraße in Schöneberg, so Trunk. Die 500 Wohnungen in dem dort über die Straße gespannten, markanten Wohngebäude sollen ab dem Winter 2025 mit der Abwärme aus einem nahegelenen Telekom-Rechenzentrum geheizt werden. Für Trunk ein Modell mit Zukunft: »Rechenzentren sind in Berlin die größte Quelle für Abwärme«, sagte er. Im Rahmen der Digitalisierung würden immer mehr der Großrechenanlagen gebaut werden. Bevor die Abwärme genutzt werden könne, müsse sie aber mithilfe von Wärmepumpen noch weiter erhitzt werden. An anderer Stelle sollen Bohrungen durchgeführt werden, um Geothermie zu gewinnen.

Unklar ist noch, wie sich die Besitzverhältnisse bei dem Energieversorger auf die Strategie auswirken werden. Die ursprünglich städtische Gasag liegt heute in der Hand der Energiekonzerne Eon, Vattenfall und Engie. Vattenfall will sich allerdings aus dem Berlin-Geschäft zurückziehen und will nach dem Wärmenetz auch seine Gasag-Anteile verkaufen. Vor allem die regierende SPD will, dass diese Anteile an das Land gehen. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) hofft, dass die Energieversorgung effizienter gestaltet werden kann, wenn die Energieinfrastruktur komplett in staatlicher Hand liegt. Auch beim Koalitionspartner CDU und in der Opposition gibt es dafür, wenn auch mit Einschränkungen, viele Sympathien. Eine Option auf den Erwerb der Vattenfall-Anteile hat sich das Land bereits gesichert.

»Einen grundlegenden Strategiewechsel kann ich mir auch mit anderen Anteilseignern schwer vorstellen«, sagte Gasag-Vorstand Friedrichs. Die Aufgaben, die das Unternehmen zu bewältigen habe, blieben ja gleich. »Am Ende geht es darum, dass die Wohnungen warm bleiben«, so Friedrichs. Zugleich ließ er Sympathien für die teilweise Rekommunalisierung durchscheinen. Es sei gut, wenn die Politik mehr Verantwortung in diesem Bereich übernehme. »Eine bessere Kooperation der verschiedenen Energieversorger in Berlin wäre wünschenswert.«

Auch die Auswirkungen auf die Endkundenpreise sind noch nicht abzusehen. Nach Beginn des Krieges in der Ukraine ist der Import russischen Erdgases massiv zurückgegangen. In der Folge stiegen die Preise kräftig an. Zuletzt waren sie wieder gesunken, liegen aber noch immer fast doppelt so hoch über dem Vorkriegsniveau. Ob sich die geplanten Investitionen auf den Preis auswirken werden? Zumindest für das laufende Jahr will die Gasag laut Vorstandsmitglied Matthias Trunk auf Preissteigerungen verzichten, weil der globale Preis für Erdgas weiterhin tendenziell sinke.

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