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Der Weihnachtsmarkt ist in Gefahr

Brandenburgs Linksfraktion will Haushaltsnotstand für die Hälfte der Kommune abwenden – die SPD mauert

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.
Will die Kommunen vor der Zwangsverwaltung bewahren: Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke).
Will die Kommunen vor der Zwangsverwaltung bewahren: Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke).

Brandenburgs Linksfraktion will die kurze Zeit bis zur Landtagswahl am 22. September noch nutzen, um für Entspannung bei den Kommunalfinanzen zu sorgen. Bei der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause wird sie versuchen, eine drohende Zwangsverwaltung für die Hälfte der 460 brandenburgischen Kommunen abzuwenden.

Am Dienstag kündigte die Abgeordnete Andrea Johlige an, die Streichung des Paragrafen 69 im »Gesetz zur Modernisierung des Kommunalrechts« zu beantragen. Dieser Paragraf verpflichtet Kommunen, Jahresabschlüsse vorzulegen, wenn sie in der normalen Haushaltsführung bleiben wollen. Fehlt der Abschluss, so sieht das Gesetz die »vorläufige Haushaltsführung« vor, die laut Johlige einen erheblichen Einschnitt in die kommunale Selbstständigkeit bedeutet. Johlige verwies auf einen alarmierenden Brief des Städte- und Gemeindebundes, wonach rund die Hälfte der Kommunen nicht in der Lage sein werde, einen Vorjahresabschluss in der geforderten Frist vorzulegen. Diese Kommunen würden dann gleichsam unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Johlige warnte vor einem Stillstand bei Schulen, Kitas, Feuerwehr und Nahverkehr. Investitionen in soziale Einrichtungen wären allenfalls äußerst eingeschränkt möglich. Die Kommunen dürften keine Fördermittel mehr in Anspruch nehmen, niemanden mehr einstellen, keine Stadtfeste mehr ausrichten. Ein Beispiel: »Der Weihnachtmarkt ist in Gefahr.«

Im Brief des Städte- und Gemeindebundes wurde vor solchen Auswirkungen gewarnt. Der neue Landtag, der im September gewählt wird, werde nicht rechtzeitig bis Anfang Dezember 2024 nachsteuern können. Deshalb drohe die vorläufige Haushaltsführung ab 1. Januar 2025. Laut Geschäftsführer Jens Graf müssten daher noch vor dem Sommer Maßnahmen ergriffen werden. Die vorläufige Haushaltsführung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Haushaltsautonomie der brandenburgischen Städte, Gemeinden und Ämter dar.

Auch der Strukturwandel im Lausitzer Braunkohlerevier könnte ins Stocken geraten, mahnte die Abgeordnete Johlige. Die Kommunen würden »in die Handlungsunfähigkeit getrieben«. Selbst wenn es einige innerhalb der kommenden sieben Monate schaffen sollten, einen Jahresabschluss vorzulegen, bleibe die Gefahr für die überwiegende Zahl der Kommunen bestehen. Die Abgeordnete zeigte sich überzeugt davon, dass die Städte und Gemeinden »nicht aus bösem Willen« säumig sind. Zum Teil sei die rechtzeitige Erledigung einfach nicht möglich. Ursache dafür seien etwa Personalmangel und der hohe Aufwand, der durch die Grundsteuerreform entstanden sei. Johlige verwies auf die Stadt Strausberg, die seit 2015 keinen Jahresabschluss mehr vorgelegt habe. Der Landesregierung warf Johlige vor, nicht die notwendige Unterstützung geleistet zu haben. »Da ist überhaupt nichts passiert.«

Angesichts der Lage wäre der Abgeordnete Péter Vida (Freie Wähler) dafür, den Kommunen mehr Spielraum zu geben. Es gebe viele Gründe für den Rückstand bei den Jahresabschlüssen, sagte er. »Manchmal sind die Probleme auch hausgemacht.«

Bei der SPD aber beißt die Linksfraktion auf Granit. »Wir haben die Frist immer wieder verlängert«, sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller, der den Brandbrief des Städte- und Gemeindebundes auch erhalten hat. Keller geht davon aus, dass viele Kommunen »zügig ihre Abschlüsse nachholen«. Es sei möglich gemacht worden, einen vereinfachten Jahresabschluss vorzulegen. Sollte sich Anfang 2025 herausstellen, dass es viele Kommunen dennoch nicht fristgemäß schaffen, so könnten sie mit dem Innenministerium verhandeln. Erst dann müsse darüber entschieden werden, ob das Gesetz noch einmal geändert werden sollte.

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