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Drama-Aus: FC Bayern kann selbst das Finale dahoam nicht trösten
Real Madrid dreht spät das Halbfinalrückspiel in der Champions League und verhindert ein rein deutsches Endspiel
Nach gutem Essen, lockeren Gesprächen und Selfies mit Sponsoren war den Spielern des FC Bayern München und ihrem Trainer zwei Stunden nach Mitternacht nicht zumute. Diese gesellschaftliche Verpflichtung erledigten sie zwar pflichtgemäß, aber ihnen war nach dem Halbfinalrückspiel bei Real Madrid anzusehen, dass gerade ihr Traum von der Neuauflage eines rein deutschen Finals der Champions League in London wie 2013 in einer dramatischen Schlussphase zerstört worden war.
Da halfen auch die gut gemeinten Worte ihres Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen nicht viel. Er erinnerte an das Finale dahoam 2012 und an eine Nachricht im Team-Chat von Thomas Müller einen Tag danach. Der habe geschrieben: »Kopf hoch, Jungs. Was gestern passiert ist, tut extrem weh, aber nächstes Jahr schlagen wir zurück«, sagte Dreesen und gab damit die Richtung vor: das Endspiel 2025, das erneut in München stattfinden wird. »Das ist jetzt unser großes Ziel.«
Es gab noch einiges zu verarbeiten, und vielleicht begann der eine oder andere damit tatsächlich schon bei Nudel-Paella, Steak und Blumenkohlcreme. Wahrscheinlicher aber ist, dass dieses 1:2 im Bernabéu-Stadion vom Mittwochabend noch ein paar Tage nachwirken wird. Und am 1. Juni noch einmal hochkommt, wenn im Wembley-Stadion Real gegen Borussia Dortmund um den Henkelpott kämpfen darf.
Auch bei Thomas Tuchel, der dann aber schon nicht mehr Trainer der Münchner sein wird. Nach den letzten Bundesligaspielen am Sonntag gegen Wolfsburg und nächsten Samstag in Hoffenheim ist für ihn das Kapitel FC Bayern beendet. Was von ihm bleibt? Immerhin haben die Münchner mit ihm die erste Halbfinalteilnahme in der Königsklasse seit 2020 geschafft. Aber so leidenschaftlich sie international unterwegs waren, so wenig motivieren konnte er sie in der Bundesliga. Den Spielern das Ziel zu vermitteln, dort nun den zweiten Platz noch zu verteidigen, dürfte vor dem Hintergrund der Madrid-Niederlage auch schwierig werden.
Diese Partie im modernisierten Fußballtempel der Madrilenen passte zur Saison der Münchner, in der einiges schiefgelaufen war, es dann aber doch nach einem Happy End aussah. Real Madrid hatte gute Chancen nicht verwerten können; der spanische Meister scheiterte immer wieder an Torhüter Manuel Neuer, dem Pfosten oder der eigenen Ungenauigkeit. Die Bayern hatten dann das Können und die Effizienz, aus den wenigen eigenen Gelegenheiten ein Tor zu erzielen.
Mit dem Führungstreffer von Alphonso Davies in der 68. Minute begann jedoch das Drama von Bernabéu. Harry Kane musste angeschlagen vom Platz, Jamal Musiala und Leroy Sané ebenfalls. Davor hatte es schon Serge Gnabry erwischt. Die Wechsel, klagte Tuchel später, seien keine taktischen Entscheidungen gewesen. »Wir konnten nie das Spiel verändern, wie wir es wollten, waren die ganze Zeit nur am Reagieren.« Auch diese Verletzungsprobleme, die so manche gute Traineridee über den Haufen warfen, zogen sich zumindest durch die Rückrunde.
Dann unterlief ausgerechnet Neuer ein Fehler. »Tragisch für Manu, der zuvor Weltklasse gehalten hat«, sagte Sportvorstand Max Eberl. Reals Joselu nutzte die Chance zum Ausgleich. In der 88. Minute. Zwei Minuten später trifft er noch einmal. Diese Schlussphase erinnerte an die Last-Minute-Niederlage der Bayern im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United. Nur dass dieses Mal nach dem 2:1 nicht Schluss war. In der Nachspielzeit erzielte Matthijs de Ligt ein Tor. Wenige Sekunden zuvor hatte der Schiedsrichter aber die Aktion abgepfiffen. Sein Assistent hatte voreilig die Fahne gehoben, obwohl eine vermeintliche Abseitsstellung mit bloßem Auge kaum erkennbar gewesen war. Eine Überprüfung durch den Videoassistenten konnte wegen des zu frühen Pfiffs aber nicht durchgeführt werden. Als »höchst kurios und dubios« bezeichnete Eberl diese Situation.
Referee Szymon Marciniak entschuldigte sich später für den Fehler. Dies anzunehmen, fiel Tuchel schwer. »Das ist nicht der Moment für Entschuldigungen, das ist nicht der Moment für Regelverstöße.« Auch Thomas Müller gab zu Protokoll: »Der Stachel sitzt tief.« Seit 2012 weiß jedoch niemand besser als er selbst: Dieser Stachel lässt sich wieder ziehen.
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