Proteste gegen Werk in Grünheide: Tesla in Bedrängnis

Ein breites Klima-Bündnis demonstriert in Grünheide gegen den Ausbau der Autofabrik

  • Max Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Kontrast könnte kaum krasser sein. Als Basis der Aktivist*innen diente das utopisch erscheinende Protestcamp von »Tesla den Hahn abdrehen«. Neben verschiedenen Demonstrationen und Workshops versuchte die Bewegung »Disrupt« auf das Werksgelände vorzudringen. Doch der US-Autobauer zeigte sich vorbereitet. Polizeieinheiten patrouillierten durch die idyllische Szenerie, indes verwandelte sich die »Gigafactory« mit Wasserwerfern, Räumpanzern sowie Reit- und Hundestaffeln in eine Festung.

Die Belegschaft wurde laut einigen Medienberichten präventiv ins Home-Office geschickt. Für die Demonstrierenden hieß das: Ziel erreicht, die Produktion der E-Autos steht still. Eine Tesla-Sprecherin erklärte hingegen, am Freitag sei aufgrund des Brückentags nach dem Feiertag am Donnerstag nicht produziert worden.

Umweltorganisationen, Bürgerinitiativen und Klimagruppen kritisieren Bau und Betrieb der Riesenfabrik seit deren Ankündigung 2019, unter anderem in Sachen Flächennutzung und Verschmutzung des Grundwassers. Lucia Mende, Sprecherin von Disrupt, versteht die Aktionstage aber auch als demokratisches Zeichen. Im Februar waren Teslas Ausbaupläne bei einer unverbindlichen Bürgerbefragung auf klare Ablehnung gestoßen – trotzdem sollen noch mehr als 50 Hektar Wald abgeholzt werden.

Mende stellt den Protest in Zusammenhang mit dem größeren Kampf gegen Automobilität, plädiert für eine soziale Verkehrswende in der Stadt und auf dem Land. Darum setze man sich für eine »kreative Neugestaltung« der Fabrik ein. Die Bewegung stellt sich etwa eine Umstellung der Produktion auf Lastenräder und Busse statt E-Autos vor. Dabei haben sie auch die prekären Arbeitsbedingungen bei Tesla im Kopf und betonen, dass sich ihre Aktionen nicht gegen die mehr als 10 000 Beschäftigten richten. Konfliktpotential gibt es trotzdem – so hatte die IG Metall der Werkserweiterung zunächst zugestimmt. Auf Nachfrage bezeichnet Mende die Beziehung der Aktivist*innen zur Gewerkschaft allerdings als gut.

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Die Protesttage starteten schon am Mittwoch mit kleineren Aktionen vor dem Werk in Grünheide, dem Tesla-Store in Berlin und mit einer Demonstration vor dem Potsdamer Landtag. Der wohl turbulenteste Tag war Freitag. Aktivist*innen versuchten, auf das Werksgelände vorzudringen. Durch Teslas verwerfliche Praktiken böten sich viele passende Ziele an, so das Presseteam. Parolen stellten den hiesigen Protest in einen internationalen Kontext der Naturausbeutung. Der in Schwarzer-Block-Ästhetik anmutende »goldene Finger« und der den Widerstand des Wassers symbolisierende »blaue Finger« ließen von sich hören: »Wasser für alle, sonst gibt’s Krawalle« und »Elon Musk auf den Mond – das ist Raumfahrt, die sich lohnt«. Benjamin Raschke, vor Ort als parlamentarischer Beobachter der Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag, zeigte sich zunächst erfreut über die anfängliche Zurückhaltung der Polizei.

Das aber nicht lange. Kurz hinter dem Bahnhof Fangschleuse verließen Hunderte den Demonstrationszug. Aktivist*innen des »blauen Fingers« gelang es, an den Polizeikräften vorbei in Richtung Tesla-Fabrik zu laufen. Bei Zusammenstößen kam es augenscheinlich zu vielen Verletzten, genaue Zahl bisher unklar. Sichtbar waren Verletzungen an Köpfen und bandagierte Arme. Auch Pfefferspray kam zum Einsatz.

Am Rande der Aktion wurden auch vereinzelte Zuschauende scheinbar willkürlich angegriffen. Zu beobachten war etwa eine Szene, in der fünf hochgerüstete Polizist*innen mit Fäusten auf einen verwirrten Umstehenden einschlugen. Die anwesenden Polizeisprecher wollten auf Nachfrage keine Aussage dazu machen, laut Pressemitteilung soll es 16 Festnahmen gegeben haben. In sozialen Medien kritisiert Disrupt die Repression scharf. Dazu Sprecherin Mende: »Hier zeigt sich, dass die Polizei bereit ist, Gewalt für Tesla und gegen das demokratische Votum von Grünheide einzusetzen.«

Andernorts versperrten Aktivist*innen mit einer Sitzblockade und einem Tripod aus Holzstämmen eine Zufahrtsstraße. Teilnehmende einer ganztägigen Kundgebung, die vor dem Werkstor Drachen steigen ließen, meldeten eine solidarische Spontanversammlung direkt neben der Blockade an. Gleichzeitig besetzten rund 200 Aktivist*innen den ehemaligen Flugplatz Neuhardenberg, auf dem Tesla-Fahrzeuge lagern. Laut Disrupt wurden diese »ungewollten Autos« mit Farbe »verschönert«.

Samstags wurden aus einer angemeldeten Großdemonstration mit 2000 Teilnehmenden vereinzelte Personen herausgezogen, ansonsten gab es keine Komplikationen. Aufgrund von aktivistischen Versammlungen wurde am Morgen allerdings eine Vollsperrung der A10 angeordnet.

Das Aktionsbündnis meldete, dass insgesamt 800 Protestierende auf das Werksgelände vorgedrungen sind, die Polizei dementiert das. Im Gespräch mit »nd« vor Ort bewertete Klimaaktivist Tadzio Müller die Aktionen als erfolgreich. Die zahlreichen Beteiligten hätten eine »kapitalismuskritische Position gestärkt« und ein »Ermächtigungserlebnis« erwirkt, so der Klimaaktivist. Auch Disrupt spricht von erfolgreichen Aktionstagen.

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