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Schönefeld: BSW-Freund kandidiert für die Linke

Bei der Kommunalwahl in Schönefeld sind die beiden verfeindeten Parteien auf einer Liste vereint

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Andreas Eichner (hinten) im April 2023 neben Linke-Landeschef Sebastian Walter (l.)
Andreas Eichner (hinten) im April 2023 neben Linke-Landeschef Sebastian Walter (l.)

Am Telefon bittet Linke-Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg am Montag um einen Moment Geduld. Er muss noch schnell etwas klären und sagt in den Raum: »Erstmal 2000 drucken.« Das bezieht sich auf ein Plakat zu den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Nachdem es Übergriffe von Rechten auf Wahlkämpfer gegeben hat – zwei Linke waren beim Aufhängen von Plakaten in Schöneiche bei Berlin betroffen –, will der Landesverband ein Sondermotiv dazu herausbringen. Als Wollenberg die Startauflage geklärt hat, beantwortet er am Telefon die gestellte Presseanfrage. »Solange er nicht Mitglied einer anderen Partei ist, geht das«, sagt er. »Das entscheiden die Genossen vor Ort.«

Es dreht sich um Andreas Eicher. Der Flugzeugmechaniker im Vorruhestand hatte sich im April 2023 vergeblich um den Posten des stellvertretenden Landesvorsitzenden beworben. In seiner Rede beim Landesparteitag im Klubhaus von Ludwigsfelde hatte sich Eichner einerseits zu der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht bekannt, die damals noch der Linken angehörte, jedoch im Januar 2024 mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine eigene Partei gründete. Andererseits hatte Eichner sich gegen eine Spaltung der Linken ausgesprochen und erklärt, er sei nicht mit allem einverstanden, was Wagenknecht sage.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Inzwischen trat Eichner aus der Linken aus, zählt aber nicht zum handverlesenen Kreis der BSW-Mitglieder in Brandenburg, sondern nur zu den Unterstützern der Wagenknecht-Partei. Bei der Kommunalwahl am 9. Juni kandidiert er nun als Parteiloser auf der Liste der Linken für die Gemeindevertretung von Schönefeld. Auf einem Flugblatt stellt die Basisorganisation der Linken ihre vier Kandidaten für die Gemeindevertretung und die Ortsbeiräte von Schönefeld und Großziethen vor und wirbt dabei ausdrücklich mit dem Hinweis: »Auch mit BSW-Sympathisanten in unserem Team.«

Linksfraktionschef Wolfgang Katzer ist am Montagvormittag in Schönefeld unterwegs, um dieses Flugblatt zu verteilen. »Wer sollte es sonst machen?«, fragt er. Denn die Basisorganisation habe nur neun Mitglieder, darunter lediglich zwei junge Männer im Alter von 16 und 22 Jahren. Ansonsten seien die Genossen 60 Jahre und älter, teils schon 90 Jahre alt und kaum noch mobil. Der 22-Jährige, das sei der Erzieher Eric Hilbert, der in einem Jugendklub der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt sei und zu den vier Kandidaten für die Kommunalwahl gehöre. Gemeindevertreter Stefan Hoske ist ein älteres Semester und der zweite Genosse auf der Liste. Linksfraktionschef Katzer engagierte sich schon vor 1989 als SED-Mitglied in der Gemeindevertretung. Doch aus der PDS sei er in den 90er Jahren aus beruflichen Gründen ausgetreten, erzählt er.

Katzer erlernte den Beruf des Mechaniker bei der DDR-Fluggesellschaft Interflug. Zum Flugzeugingenieur qualifiziert saß er in sowjetischen Passagiermaschinen des Typs IL-62 im Cockpit. Als die Interflug abgewickelt wurde, bewarb sich Katzer bei der Lufttransportfirma LTU, die 2007 von Air Berlin übernommen wurde. Katzer wurde signalisiert, seine Bewerbung bei der LTU hätte keine Chance, solange er PDS-Mitglied sei. Darum trat er aus und ist bis heute parteilos geblieben.

Katzer bezeichnet sich selbst als einen, der Wagenknecht zugeneigt, aber gegen die Spaltung und die damit verbundene Schwächung der Linken gewesen sei. In Schönefeld habe man sich früh verständigt: Sollte BSW zur Kommunalwahl am 9. Juni mit einer eigenen Liste antreten, wollte diese in der Gemeindevertretung eine Fraktion mit der Linken bilden. Nun gibt es aber in Schönefeld keine BSW-Liste, sondern eine Liste der Linken mit BSW-Sympathisanten. »Wir verfolgen das gleiche Ziel in Nuancen«, erklärt Katzer die gelungene Verständigung, die ziemlich ungewöhnlich ist. Wenn man sich zu mindestens 90 Prozent einig sei, könne die Zusammenarbeit funktionieren, argumentiert er. In Schönefeld sei man sich etwa in der Friedens- und Sozialpolitik einig und auch in den meisten anderen Fragen.

Der Linksfraktionschef ist 74 Jahre alt. »Eigentlich ist es langsam gut«, hatte er sich gedacht. »Aber die Jungen wachsen nicht so schnell nach.« Den 22-jährigen Eric Hilbert wolle man langsam an die Kommunalpolitik heranführen. Dieser hatte bei der Kommunalwahl 2019 schon für den Ortsbeirat Schönefeld, aber noch nicht für die Gemeindevertretung kandidiert. Wenn so ein junger Mensch im Ehrenamt gleich jeden Tag Termine gehabt hätte, bestünde die Gefahr, dass es ihn überfordert und er hinwirft, erläutert Katzer. Aus diesem Grunde müsse er mit seinen 74 Jahren nochmal ran, denn er wolle nicht, »dass die falschen Farben die Wahl gewinnen«. Bislang besteht die Linksfraktion in der 28 Sitze zählenden Gemeindevertretung von Schönefeld aus Wolfgang Katzer und Stefan Hoske.

Andreas Eichner versichert, er würde die Linksfraktion auch dann nicht verlassen, wenn er sich später noch entschließen sollte, dem BSW beizutreten. Im Sommer 2023 hatte er sich an einem Beitragsstreik beteiligt. Anhängern Wagenknechts war empfohlen worden, ihren Parteibeitrag auf 2,50 Euro im Monat zu reduzieren. Das erklärte Ziel: »Den Parteivorstand effektiv unter Druck setzen.« Ausgangspunkt war ein Bundesvorstandsbeschluss vom 10. Juni 2023, der Sahra Wagenknecht aufforderte, ihr Bundestagsmandat niederzulegen, falls sie nicht von ihren Überlegungen Abstand nimmt, eine eigene Partei zu gründen. Die im Brandenburger Karl-Liebknecht-Kreis organisierten Anhänger Wagenknechts nannten es »inakzeptabel und selbstzerstörerisch, mit Sahra Wagenknecht unsere bekannteste und beliebteste Politikerin aus der Partei drängen zu wollen«. Das ließ sich der Landesvorstand nicht bieten und bezeichnete seinerseits den Beitragsstreik als inakzeptabel.

Zum Programm der Schönefelder Linken für die kommenden fünf Jahre gehören »kleine bezahlbare Wohnungen für Junge und seniorengerechtes Wohnen«, die Kinderbetreuung »in attraktiven Einrichtungen mit ausreichend Personal« und eine »geordnete, sozial ausgewogene, verkehrstechnisch gut überlegte und umweltfreundliche Ansiedlung und Entwicklung von Gewerbe«. Ziel ist weiterhin die bestmögliche Unterstützung von Sport- und Kulturvereinen und eine zuverlässige Anbindung aller Ortsteile an den Nahverkehr.

Auf einem zweiten Flugblatt führen die vier Kandidaten noch Punkte an, die ihnen persönlich besonders am Herzen liegen. Da erklärt Katzer: »Linke Politik ist Friedenspolitik, Durchsetzung der Klimaziele und bitte niemals die Schwachen vergessen!« Eichner vermerkt: »Als gelernter Flugzeugmechaniker ist mir eine gute Beziehung vom Flughafen BER wichtig. Vor allem die friedliche, zivile Nutzung steht bei mir an erster Stelle.«

Da ein BSW-Landesverband voraussichtlich erst am 25. Mai gegründet wird, tritt die neue Partei bei den Kommunalwahlen noch nicht an. Stattdessen gibt es in Potsdam, Brandenburg/Havel, Märkisch-Oderland, Oberhavel und Oder-Spree BSW-nahe Listen für Vernunft, Frieden und Gerechtigkeit.

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