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Im Garten

Ein Garten ist ein Ort des Sehens und des Gesehen-werdens

Neulich wurde ich, im Rahmen meiner Therapie, zur Gartenarbeit angeregt. Gemeinsam wurden wir mit den Gemüse- und Kräuterbeeten vertraut gemacht. Wir bekamen einen kleinen Rechen und eine Spitzhacke in die Hand – und ein paar andere Werkzeuge, deren Bezeichnung ich nicht kannte. Unsere Aufgabe war es, die Erde in den Beeten so vorzubereiten, dass wir danach Samen in die, durch uns wieder fruchtbar gemachte, Erde einsetzen könnten.

Wir fingen also an, mit unseren etwas zu klein geratenen Werkzeugen und unter nur wenig Anleitung, die Beete zu bearbeiten – das heißt, das Unkraut möglichst mit den Wurzeln, die daran hingen, herauszuziehen und eine Schubkarre mit den Überresten zu füllen, die wir, sobald sie voll war, zum Kompost schieben sollten.

Ich kratzte und schabte und hackte aggressiv auf die von Wurzeln durchsetzte Erde ein, und bald hatte ich eine Schubkarre gefüllt – und dann noch eine und noch eine und noch eine. Irgendwann stand ich, außer Atem, vor meinem Beet, das nun zwar unkrautfrei, gleichzeitig aber auch nicht unbedingt potent aussah, um neuen, gesunden Pflanzen ein Zuhause zu bieten. Es sah eher karg aus und gleichzeitig chaotisch – die Farbe der Erde fast grau.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist, und versucht es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen.

dasnd.de/hohmann

Ich schaute mich um, um zu sehen, was die anderen fabriziert hatten, denn in dem Rauschzustand, in dem ich zehn Schubkarren gefüllt und weggebracht hatte, hatte ich ganz vergessen, dass ich nicht allein in dem Garten war. Ich sah, dass die anderen ihre erste Schubkarre bisher nur halb gefüllt hatten. Besonnen bearbeiteten sie die Erde, systematisch und gefühlvoll, einer sang dabei ein Lied. Es wirkte fast, als würden sie die Beete massieren. Die Beete der anderen wirkten viel weniger grau als mein eigenes – sie waren gut durchgegraben, gleichmäßig und aufgelockert. Es war offensichtlich, dass ich zwar wesentlich schneller war, die anderen in ihrer besonnenen Hingabe aber viel nachhaltiger, effektiver gearbeitet hatten.

Ich dachte darüber nach, ob es einen Zusammenhang zwischen der Gartenarbeit und unseren Beschäftigungsverhältnissen gab: Hatten die anderen, als Festangestellte, die Muße, das Beet um des Beetes willen zu bearbeiten, weil sie nach verbrachten Stunden bezahlt wurden, während ich, als Künstlerin, immer nur nach Produkt, nach Schubkarre sozusagen, bezahlt wurde? Unschlüssig stand ich vor meinem Beet und hörte den anderen beim Summen zu.

Ein Garten ist immer ein Versuch der Zähmung. Mit viel Arbeit wird Flora in eine Form gebracht – häufig in eine Form, die die Anmutung des Zufalls haben soll. Der Garten ist ein Ort des Lustwandelns, ein Ort der Sehnsucht, des Begehrens, aber auch der Distinktion. Es ist ein Ort des Sehens und des Gesehen-werdens.

Manchmal, je nach Beschaffenheit des Gartens, ist es auch ein Ort, an dem man sich verlieren kann, in Gedanken – oder auch ganz buchstäblich, zum Beispiel in einem der Labyrinthe, die man manchmal in Schlossgärten findet. Und natürlich steckt in der Idee des Gartens auch das Paradies, in Bezug zu dem wir per se Vertriebene sind. Das heißt: unsere Trennung vom Tier, der Beginn der Nacktheit und der Scham.

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