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Wagenburgen im Verteidigungsmodus
Hunderte Autonome demonstrieren in Solidarität mit Wagenplätzen und gegen Verdrängung
Kleinbusse, umgebaute Postwagen und Lkws reihen sich am Freitagnachmittag neben der Oberbaumbrücke in Friedrichshain, direkt vor der Berliner Mauer auf. Der Demozug steht unter dem Motto »We Wheel Survive«. Wagenplatzkollektive wollen am Pfingstwochenende auf die Verdrängung von Wagenplätzen und linken, alternativen Orten aufmerksam machen. Das ganze Wochenende über finden Veranstaltungen zum Thema statt, so zum Beispiel auf dem Lohmühlenplatz in Neukölln oder dem Rummelplatz in Friedrichshain.
Die offenen Türen einiger Wagen, in denen etwa eine halbe Ein-Zimmer-Wohnung verbaut ist, geben eine räumliche Vorstellung vom Leben im Wagen. Worum es beim Wagenplatzleben geht, wird mehr noch in den Reden der Veranstalter*innen deutlich: »Wagenleben ist der Versuch, anders zu leben, anders zu wohnen und der Versuch, Freiräume für Menschen zu schaffen, die nicht reinpassen.« Es wird von gemeinsamem Kochen und Sommernächten am Feuer gesprochen, aber auch von Unabhängigkeit, Gemeinschaft und davon, in der eigenen Unangepasstheit akzeptiert zu werden. Dazu böten die Wagenplätze Schutz vor dem immer härter werdenden Kampf, den die Berliner*innen gegen den stetig steigenden Mietspiegel führen müssen. »Ich finde es wichtig, dass die Menschen sich die Freiheit nehmen, so zu leben«, erklärt eine Demo-Teilnehmerin. Sie selbst lebe seit fünf Jahren im Wagen, ziehe es aber vor, ortsungebunden zu bleiben. Trotzdem schätze sie den Kontakt zu den Wagenplatzgemeinschaften sehr.
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Der Zug der »We Wheel Survive«-Demo, dem es dank voll aufgedrehter Punk-Musik nicht an Lautstärke mangelt, besteht aus wenigen hundert Leuten. Die meisten von ihnen scheinen aus dem direkten Umfeld der Wagenplätze zu sein. Es wird zusammen gelacht und getrunken, vom Lautsprecherwagen regnet es Konfetti. Einige begleiten den Zug mit selbstgebauten Fahrrädern.
Doch es geht nicht allein um Wagenplätze. Auch die Bedrohung links-autonomer Orte wie das Hausprojekt Rigaer Straße, der Umgang mit Wohnungslosigkeit in Berlin, und die Gentrifizierung werden als Probleme benannt.
Von Verdrängung war jüngst auch das queere Hausprojekt »Tuntenhaus« in der Kastanienallee bedroht. Vergangenen Donnerstag verkündete der Bezirk Pankow, dass er das Vorkaufsrecht zugunsten der Stiftung Edith Maryon ausüben wird – das Tuntenhaus ist gerettet. Das Tuntenhaus hatte es geschafft, mit einer breit aufgestellten Kampagne eine große Reichweite und damit auch den entsprechenden politischen Druck aufzubauen. »Der Druck auf der Straße ist wichtig und – das hat das Tuntenhaus auch gezeigt – den parlamentarischen Weg braucht es halt auch«, findet Ino1, eine Person aus der Wagenplatzcommunity. Am Ende sei es entscheidend gewesen, dass der Senat unterzeichnet habe, so Ino.
Dass die bürgerliche Einbindung nicht immer funktioniert, habe Ino ihm Vorfeld der Liebig34-Räumung erfahren. Die Liebig34 war ein queerfeminstisches Hausprojekt in Friedrichshain. Versuche, die Nachbar*innenschaft einzubinden, seien nur mäßig erfolgreich gewesen, sagt Ino. »Natürlich ist es schwierig, weil es auf beiden Seiten auch Berührungsängste gibt. Unsere Szene tut sich sicher oft schwierig, auf Normalbürger*innen zuzugehen«, sagt Ino.
Weder die Veranstalter*innen der Demonstration, noch die beteiligten Wagenplatzkollektive wollten »nd« ein Interview geben. In der Rigaer Straße wird die Autonomen-Demo auf Höhe eines ehemaligen Wagenplatzes mit Jubel und Bengalos begrüßt. »Wir werden nicht verschwinden! Wir werden bleiben und wir werden überleben«, schallt es vom Lautsprecherwagen.
Mehrfach beziehen sich die Veranstalter*innen auch auf die Räumung eines Wohnungslosen-Camps in der Rummelsburger Bucht im Winter 2021. Das sei für die Bewohner*innen keine Form selbstgewählten, freien Zusammenlebens, sondern eine Notlösung gewesen. »Die Basis der Wohnungslosenhilfe ist, dass Leute selbst bestimmen können, wo sie leben und ob sie unsere Hilfe wollen. Die Räumung eines Wohnungslosencamps widerspricht meiner Meinung nach diesem Prinzip«, erinnert sich Maja1, Mitarbeiterin einer Berliner Wohnungslosenunterkunft. Menschen, die aufgrund einer Räumung eine Notschlafstelle aufsuchen, erlebt sie allerdings sehr selten. »Vielen Menschen, die bei uns übernachten, ist das soziale Netz weggebrochen. Ich schätze, Menschen, die aus ihren Wohnungen verdrängt werden, kommen erstmal bei Bekannten
oder Freund*innen unter. Bei uns zu übernachten ist eigentlich die letzte Möglichkeit vor der Straße«, sagt Maja.
Die Wagenplätze kämpfen weiter um ihr Überleben in einer gentrifizierten Stadt. »Wir brauchen Orte, an denen wir uns austauschen, organisieren und frei von Machtstrukturen machen können«, heißt es in einem Redebeitrag. Die Bewohner*innen erachten ihre Wagenplatzgemeinschaften als essenziell, um ein in ihrem Sinn freies Leben, ganz nach dem Motto »Kein Gott, kein Staat, kein Mietvertrag!«, führen zu können.
1 Namen geändert
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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