Prozess um Fall Mouhamed Dramé: Todesschütze bittet um Verzeihung

Im Prozess um tödlichen Polizeieinsatz gegen Geflüchteten sagte der Beamte aus, der die Schüsse abgegeben hatte

  • David Bieber, Dortmund
  • Lesedauer: 3 Min.
Die angeklagten Polizeibeamten und ihre Verteidiger im Landgericht Dortmund
Die angeklagten Polizeibeamten und ihre Verteidiger im Landgericht Dortmund

Im Prozess gegen fünf Polizisten vor dem Landgericht Dortmund hat erstmals der Mann ausgesagt, der den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé mit sechs Schüssen getötet hatte. Der wegen Totschlags angeklagte Fabian S. schilderte am Mittwoch, wie der Einsatz im August 2022 abgelaufen war und wie er mit seiner Maschinenpistole auf den Geflüchteten aus dem Senegal geschossen hatte.

Der seit September 2022 vom Dienst suspendierte S. wirkt nervös. »Ich habe einen Menschen getötet, aber es bleibt surreal«, sagt er. Der 31-Jährige wendet sich direkt an die Brüder des Toten, die als Nebenkläger seit knapp fünf Monaten fast jeden Prozesstag im Gerichtssaal verfolgen. »Das Ganze betrifft mich sehr. Ich spreche der Familie Dramé mein aufrichtiges Mitgefühl aus. Ich will sagen, dass es mir sehr leid tut.« Er ist dabei den Tränen nahe. Er ist der erste Angeklagte, der um Entschuldigung bittet.

Den völlig unprofessionellen Einsatz in der Dortmunder Nordstadt am 8. August 2022 könne er nie mehr vergessen, erzählt S. Das Gesicht des Jungen habe er »jeden Tag vor Augen«. Er habe immer gehofft, dass ihm »sowas nie passieren wird«, sagt er und blickt dabei den beiden Dramé-Brüdern in die Augen.

Im Kern teilt der Hauptangeklagte jedoch die Darstellung der Mitangeklagten, die auf Selbstentlastung hinauslaufen. So will Fabian S., der freiwillig die MP als Sicherungsschütze übernommen hatte, einen jungen Menschen mit einem Küchenmesser mit einer langen Klinge an einer Mauer an dem Innenhof einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung kauernd angetroffen haben.

Auch S. sagt, die Kolleg*innen hätten Mouhamed erst mit abgelaufenem Pfefferspray und einem Elektroimpulsgerät beschossen. Das habe aber nicht geholfen. Der Jugendliche sei trotzdem schnell mit einem Messer in der Hand auf die Beamten zugelaufen und habe daher augenscheinlich eine Gefahr für sie dargestellt, so Fabian S.

»Jetzt muss ich ran«, habe er gedacht, so S. Danach habe er geschossen. Er habe erst später mitbekommen, dass der Jugendliche gestorben sei, erklärt der Beamte. Denn der Junge habe sich noch »wehrig« gezeigt und versucht aufzustehen. Dann sei der Krankenwagen gekommen. In dem Fahrzeug erlag Mouhamed seinen Verletzungen.

Der Angeklagte beschreibt die vorgelagerte Situation so: »In meiner Vorstellung ging es in dem Moment bei den Kollegen ums Leben.« Sie hätten keine Chance mehr gehabt zu rennen, aber gewusst: »Da ist jemand, der mich schützt.« Über einen Warnschuss habe er nicht nachgedacht, da »die Zeit zu kurz« gewesen sei.

Warum er nicht auf Beine oder Füße geschossen habe, wird er gefragt. »Man zielt auf die Körpermitte, weil sie das Größte ist, was man treffen kann.« Diese Aussage hatte Nebenklageanwalt Thomas Feltes schon beim Prozessauftakt im Dezember gegenüber »nd« bestätigt. Dennoch irritiert die unverblümte Aussage von Fabian S.: »Man ist froh, wenn man überhaupt etwas trifft.«

Angeklagt sind auch der 55-jährige Einsatzleiter, zwei Polizistinnen (29 und 34 Jahre) und ein weiterer Beamter (34). Den drei einfachen Beamten wird gefährliche Körperverletzung im Amt durch den ungerechtfertigten Einsatz von Pfefferspray und Tasern vorgeworfen, dem Vorgesetzten Anstiftung dazu.

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